Frohen Ramadan wünschte sie alle Moslems. Dazu eine Sure, irgendwas vom Allerbarmer. Die Frau ist Linke, in einem Ortsverband organisiert. Für sie mögen diese Glückwünsche ein Zeichen sein. Gegen den Fremdenhass und die AfD und so. Also postete sie das bei Facebook. An mehreren Tagen, wie ich nachher entdeckte. Stets ein warmer Wunsch und eine Sure. Das kann man machen, aber irgendwas störte mich dabei. Was, wusste ich noch nicht so genau. Genauso wie bei diesem Artikel neulich in einem alternativen Blatt. Da lobte man ein afrikanisches Straßenfest. Die Schwarzen tanzten und boten Gerichte feil. Die Besucher kosteten die Folklore aus. Alles habe bestens geklappt. Und man hätte nun auch gesehen, wie reibungslos das Zusammenleben funktionieren könne, wenn nur alle es wollten. Überhaupt erwiesen sich die Afrikaner als ausgesprochen liebenswerte Menschen. Übrigens die Syrer von gegenüber seien auch nett. Auch bei dem Geschwafel fühlte ich mich unwohl, als ob jetzt jeder von einem Menschen mit linker politischen Vorstellung erwartete, dass er auf Tuchfühlung zu gehen habe. Will ich aber nicht müssen. Ja, muss ich auch nicht müssen. Überhaupt, dieses Anbiedern hat für mich auch nichts mit Respekt zu tun. Es ist alles nur mehr oder weniger fürs Ego.
Und dann noch das ganze Tamtam mit dem Boateng und seiner unaufhörlichen Nachbarschaft. Herr Nachbar hier, Herr Nachbar dort, Herr Nachbar klärt auf der Linie und wie irre vernachbarschaftlichen sie sich mit dem Kerl. Plötzlich will jeder den Deutschen mit dunklen Teint als Nachbarn haben, als sei jemand ausgerechnet dann ein besonders begehrter Mann von obendrüber, nur weil er ein bisschen afrikanischer aussieht als andere. Was sind wir tolerant und gut und weltoffen, nicht wahr!
Vor einigen Wochen entdeckte ich einen hübschen Text von Micky Beisenherz. Kuschelrassismus nannte er darin dieses Phänomen. Solidarisierung erfolge nicht, weil man es als inneren Reichsparteitag oder wahlweise inneren Nürnberger Prozess spürt, sondern als egozentrische Botschaft. Indem man sich als exemplarisch tolerant und unverklemmt positioniert, grenzt man sich von all diesen Trotteln ab, die heute so laut schreien wie nie zuvor oder wie eben vor vielen Jahren auf eben jenem Reichtsparteitag. Nun gut, der äußeren Variante davon natürlich. Spätestens seit dem äußeren Nürnberger Prozess wurden sie verschwiegener. Bis neulich. Tja, vor Jahren mussten sich Nazis im Untergrund bewegen und heimlich dönermorden. Subunkultur war mal, heute bekennt man wieder laut, was damals still bestellt wurde. Einer der Mörder hieß dann passenderweise Mundlos. Und exakt so geben sich die Maulhelden heute nicht mehr. Dagegen muss man was tun. Also macht man es kuschelrassisch.
Das was Beisenherz vom Stapel ließ, ist es auch, was ich in mir als ablehnenden Affekt bemerke, wenn ich diese Boatengismen und dieses sich Anbiedern an die Fastenzeit oder andere Phänomene dieses Kalibers verfolge. Mir stösst diese Tour zunächst auf, weil ich dahinter aufgeblähte Egos spüre, die sich mittels Kuscheleien als moralisch bessere Menschen aufhübschen. Es tut ja so verdammt gut, ein besserer Mensch zu sein als die schlechteren. Man netzwerkt sich tolerant und weitherzig, was bin ich nicht für eine hervorragende Person, seht nur her, wie gut sich das anfühlt. Aber Grundgehalt hat diese Haltung nicht. Sie ist so eine Form negativer Dialektik, ein Liberalismus, der sich nicht aus Denken rekrutiert, sondern als Gegenformation zum Gedankenlosen; man künstelt Weltoffenheit, besonders nur deshalb, um im eigenen Inneren eine schöne Wärme zu verspüren, eine Wärme, die einen als moralisches Subjekt besserstellt und damit einem Akt innerer ethischer Selbstbefriedigung gleichkommt. Politisch gewichtig ist dieses Aufkommen moderner Onane aber sicher nicht. Die rubbeln sich nur einen darauf, als tolerante Deutsche angeguckt zu werden.
Das klingt hart, aber etwas anderes kann ich darin nicht sehen. Nicht falsch verstehen, wer Ramadan pflegen will, bittesehr, der soll das tun. Meinen Segen hat er. Faste und sei glücklich. Aber ich sehe in so einem Verhalten, das zum Trotz gegen die Stimmen der Verblödung jetzt mit Glückwünschen aufläuft, wirklich gar nichts von politischen Format. Eigentlich im Gegenteil. Da fährt man nur auf der Befindlichkeitsschiene. Und mit Befindlichkeiten zu hantieren, das ist so eine Sache, wenn man politische Einschätzungen abgeben will. Man soll sie im Blick haben, aber nicht zur Grundsteinlegung einer Schlußfolgerung gebrauchen. Da sollte man stoischer sein. Und ignoranter.
Überhaupt ist die Ignoranz so ein Benehmen, dass viel zu schlecht wegkommt. Ihr Ruf ist ausgesprochen negativ, obgleich Ignoranz doch die Keimzelle einer halbwegs friedlichen Massengesellschaft ist. Man muss den Ramadan nicht feiern, kann ihn ignorieren und ihm damit außerhalb des eigenen Sichtfeldes alle Freiheiten zugestehen, die er benötigt. Viele sagen gemeinhin auch, dass Toleranz ein verlogenes Wort sei, weil damit im weitläufigeren Sinne gemeint sei, man müsse etwas ertragen. Und wer nur erträgt, der sei ja gewissermaßen immer noch leidend an der Sache, der müsse sich auf die Lippen beißen. Was ist daran bitteschön so schlecht? Toleranz reicht doch. Ich kann dem anderen alle Freiheiten lassen, muss aber deshalb nicht gleich Suren rezitieren. Ich bin solidarisch mit Muslimen, muss aber deshalb nicht der große Islamversteher sein. Einem Schwulen nichts Schlechtes zu wünschen, das ist doch schon liberal. Ihm nur das Beste zu wünschen, gelingt mir nur, wenn ich ihn persönlich kenne, nicht aber als Grundsätzlichkeit und schon gar nicht, als solidarischer Aufruf zur Gay Pride.
Man kann diese Gedanken falsch verstehen, wenn man will. Wie schnell ist man heute ein Nazi! Neulich fiel mir ein Buch vor die Füße, etwas über das jüdische Leben nach dem Krieg und der Shoa. Plötzlich entdeckten viele Deutsche eine unbegreifliche Liebe zum Judentum, alles was jüdisch war, galt in den Fünfzigerjahren in aufgeklärten Kreisen plötzlich als ausgesprochen interessant. Man war plötzlich philosemitisch, weil man überkompensierte. Als Gegenreaktion. Einige jüdische Stimmen aus jener Zeit kamen in dem Buch auch zu Wort. Dieser positive Antisemitismus, wie sie es nannten, ekelte viele Juden auch wieder an. Beisenherz hätte das Kuschelrassismus genannt und dasselbe damit ausgedrückt. Diese ablehnende Reaktion halte ich für nachvollziehbar. Ich sehe das nicht anders. Nein, Muslime sind keine besseren Menschen, auch wenn sie jetzt Opfer islamophober Idioten sind. Boateng ist kein Botschafter des Multikulturalismus und bei den Syrern gibt es gute und sicher auch viele schlechte Charaktere.
Die geschätzteste aller denkbaren Frauen, sie saß letztens am Frühstückstisch neben mir und sah von der Zeitung auf. Sie nerve dieses Getue von einigen Journalisten und Kommentatoren, die nur rein das gute Wesen »der anderen« thematisieren. Wie eindimensional kann man eigentlich sein? In letzter Konsequenz, so sagte sie, kotzen mich alle Menschen an. Wir lachten. Sie übertrieb, ich bin der Misanthrop in unserer Beziehung, aber sie traf für meinen Geschmack den richtigen Ton. Darin schlummerte nämlich eine Empfehlung: Toleriert alle durch gesunde Ignoranz, nur so schaffen wir das. Dann erzählte ich ihr vom Kuschelrassismus und von der Linken, die Suren als Mittel der Solidarität benutzte und wir schüttelten den Kopf. Dann lachten wir abermals. Wir aßen hier und andere fasteten. So what! Die Welt ist wie sie ist, jeder macht wie er will. Aber ich bitte darum, dass ich dazu keine Reden schwingen, nicht Fastenlob aussprechen muss, wo mir nicht danach ist. Solidarität geschieht nicht immer mit Statements. Den anderen machen zu lassen, ihn zu ignorieren und damit kundzutun, dass man seine Kreise nicht stören möchte, das reicht manchmal als solidarische Bezeugung schon völlig aus.
Und dann noch das ganze Tamtam mit dem Boateng und seiner unaufhörlichen Nachbarschaft. Herr Nachbar hier, Herr Nachbar dort, Herr Nachbar klärt auf der Linie und wie irre vernachbarschaftlichen sie sich mit dem Kerl. Plötzlich will jeder den Deutschen mit dunklen Teint als Nachbarn haben, als sei jemand ausgerechnet dann ein besonders begehrter Mann von obendrüber, nur weil er ein bisschen afrikanischer aussieht als andere. Was sind wir tolerant und gut und weltoffen, nicht wahr!
Vor einigen Wochen entdeckte ich einen hübschen Text von Micky Beisenherz. Kuschelrassismus nannte er darin dieses Phänomen. Solidarisierung erfolge nicht, weil man es als inneren Reichsparteitag oder wahlweise inneren Nürnberger Prozess spürt, sondern als egozentrische Botschaft. Indem man sich als exemplarisch tolerant und unverklemmt positioniert, grenzt man sich von all diesen Trotteln ab, die heute so laut schreien wie nie zuvor oder wie eben vor vielen Jahren auf eben jenem Reichtsparteitag. Nun gut, der äußeren Variante davon natürlich. Spätestens seit dem äußeren Nürnberger Prozess wurden sie verschwiegener. Bis neulich. Tja, vor Jahren mussten sich Nazis im Untergrund bewegen und heimlich dönermorden. Subunkultur war mal, heute bekennt man wieder laut, was damals still bestellt wurde. Einer der Mörder hieß dann passenderweise Mundlos. Und exakt so geben sich die Maulhelden heute nicht mehr. Dagegen muss man was tun. Also macht man es kuschelrassisch.
Das was Beisenherz vom Stapel ließ, ist es auch, was ich in mir als ablehnenden Affekt bemerke, wenn ich diese Boatengismen und dieses sich Anbiedern an die Fastenzeit oder andere Phänomene dieses Kalibers verfolge. Mir stösst diese Tour zunächst auf, weil ich dahinter aufgeblähte Egos spüre, die sich mittels Kuscheleien als moralisch bessere Menschen aufhübschen. Es tut ja so verdammt gut, ein besserer Mensch zu sein als die schlechteren. Man netzwerkt sich tolerant und weitherzig, was bin ich nicht für eine hervorragende Person, seht nur her, wie gut sich das anfühlt. Aber Grundgehalt hat diese Haltung nicht. Sie ist so eine Form negativer Dialektik, ein Liberalismus, der sich nicht aus Denken rekrutiert, sondern als Gegenformation zum Gedankenlosen; man künstelt Weltoffenheit, besonders nur deshalb, um im eigenen Inneren eine schöne Wärme zu verspüren, eine Wärme, die einen als moralisches Subjekt besserstellt und damit einem Akt innerer ethischer Selbstbefriedigung gleichkommt. Politisch gewichtig ist dieses Aufkommen moderner Onane aber sicher nicht. Die rubbeln sich nur einen darauf, als tolerante Deutsche angeguckt zu werden.
Das klingt hart, aber etwas anderes kann ich darin nicht sehen. Nicht falsch verstehen, wer Ramadan pflegen will, bittesehr, der soll das tun. Meinen Segen hat er. Faste und sei glücklich. Aber ich sehe in so einem Verhalten, das zum Trotz gegen die Stimmen der Verblödung jetzt mit Glückwünschen aufläuft, wirklich gar nichts von politischen Format. Eigentlich im Gegenteil. Da fährt man nur auf der Befindlichkeitsschiene. Und mit Befindlichkeiten zu hantieren, das ist so eine Sache, wenn man politische Einschätzungen abgeben will. Man soll sie im Blick haben, aber nicht zur Grundsteinlegung einer Schlußfolgerung gebrauchen. Da sollte man stoischer sein. Und ignoranter.
Überhaupt ist die Ignoranz so ein Benehmen, dass viel zu schlecht wegkommt. Ihr Ruf ist ausgesprochen negativ, obgleich Ignoranz doch die Keimzelle einer halbwegs friedlichen Massengesellschaft ist. Man muss den Ramadan nicht feiern, kann ihn ignorieren und ihm damit außerhalb des eigenen Sichtfeldes alle Freiheiten zugestehen, die er benötigt. Viele sagen gemeinhin auch, dass Toleranz ein verlogenes Wort sei, weil damit im weitläufigeren Sinne gemeint sei, man müsse etwas ertragen. Und wer nur erträgt, der sei ja gewissermaßen immer noch leidend an der Sache, der müsse sich auf die Lippen beißen. Was ist daran bitteschön so schlecht? Toleranz reicht doch. Ich kann dem anderen alle Freiheiten lassen, muss aber deshalb nicht gleich Suren rezitieren. Ich bin solidarisch mit Muslimen, muss aber deshalb nicht der große Islamversteher sein. Einem Schwulen nichts Schlechtes zu wünschen, das ist doch schon liberal. Ihm nur das Beste zu wünschen, gelingt mir nur, wenn ich ihn persönlich kenne, nicht aber als Grundsätzlichkeit und schon gar nicht, als solidarischer Aufruf zur Gay Pride.
Man kann diese Gedanken falsch verstehen, wenn man will. Wie schnell ist man heute ein Nazi! Neulich fiel mir ein Buch vor die Füße, etwas über das jüdische Leben nach dem Krieg und der Shoa. Plötzlich entdeckten viele Deutsche eine unbegreifliche Liebe zum Judentum, alles was jüdisch war, galt in den Fünfzigerjahren in aufgeklärten Kreisen plötzlich als ausgesprochen interessant. Man war plötzlich philosemitisch, weil man überkompensierte. Als Gegenreaktion. Einige jüdische Stimmen aus jener Zeit kamen in dem Buch auch zu Wort. Dieser positive Antisemitismus, wie sie es nannten, ekelte viele Juden auch wieder an. Beisenherz hätte das Kuschelrassismus genannt und dasselbe damit ausgedrückt. Diese ablehnende Reaktion halte ich für nachvollziehbar. Ich sehe das nicht anders. Nein, Muslime sind keine besseren Menschen, auch wenn sie jetzt Opfer islamophober Idioten sind. Boateng ist kein Botschafter des Multikulturalismus und bei den Syrern gibt es gute und sicher auch viele schlechte Charaktere.
Die geschätzteste aller denkbaren Frauen, sie saß letztens am Frühstückstisch neben mir und sah von der Zeitung auf. Sie nerve dieses Getue von einigen Journalisten und Kommentatoren, die nur rein das gute Wesen »der anderen« thematisieren. Wie eindimensional kann man eigentlich sein? In letzter Konsequenz, so sagte sie, kotzen mich alle Menschen an. Wir lachten. Sie übertrieb, ich bin der Misanthrop in unserer Beziehung, aber sie traf für meinen Geschmack den richtigen Ton. Darin schlummerte nämlich eine Empfehlung: Toleriert alle durch gesunde Ignoranz, nur so schaffen wir das. Dann erzählte ich ihr vom Kuschelrassismus und von der Linken, die Suren als Mittel der Solidarität benutzte und wir schüttelten den Kopf. Dann lachten wir abermals. Wir aßen hier und andere fasteten. So what! Die Welt ist wie sie ist, jeder macht wie er will. Aber ich bitte darum, dass ich dazu keine Reden schwingen, nicht Fastenlob aussprechen muss, wo mir nicht danach ist. Solidarität geschieht nicht immer mit Statements. Den anderen machen zu lassen, ihn zu ignorieren und damit kundzutun, dass man seine Kreise nicht stören möchte, das reicht manchmal als solidarische Bezeugung schon völlig aus.