Abspann

Nach der Aufregung der letzten Tage brauchte ich dringend Ruhe und Erholung. Zuallererst musste ich stundenlang Yoga machen, um mein aufgekratztes Nervensystem zu beruhigen (ich empfehle Kopfstand). Dann verbrachte ich weitere Stunden im Bio-Supermarkt und kaufte Großpackungen an Entspannungstee und seifenfreiem Entspannungsschaumbad, für das auch garantiert keine Baumkängurus und so gelitten haben. So bepackt kam ich schließlich nach Hause und machte mich an einen Salat, der so gesund war, dass mir davon schlecht wurde (Kichererbsen, Mangold, Ruccola, Tofu, Mais, Mozzarella, nur zur Info). Ich hatte mich gerade in meine Juteklamotten geworfen und teilte mir mit Ivan eine Wärmflasche, als es an der Tür klingelt. Wahrscheinlich hätte ich schon misstrauisch werden sollen, als Ivan so panisch unter dem Sofa verschwand, aber meine Neugier siegte mal wieder, und so öffnete ich die Tür. Davor stand, natürlich, Blondie.
“Blondie. Welche Überraschung.” sagte ich mit wenig Enthusiasmus.
“Ja, äh… ich wollte mich nur mal bedanken und so…”
“Bedanken?” Ich traute meinen Ohren kaum.
“Ja, dass Ihr den Hans-Peter gerettet habt.”
“Hans-Peter?”
Sie wurde rot. “Herr Schmidt… du weißt schon… neulich..”
“Ah.” Wie konnte ich DAS vergessen. “Wie geht es denn dem Hans-Peter?” fragte ich leidlich interessiert.
“Also… ich weiß nicht… ich habe ihn ein Mal besucht, nachdem er in dem Herzdingsda war.
“Wird auch Herzkatheter genannt.” bemerkte ich trocken. Aber ich helfe doch gerne Blondies Bildung auf die Sprünge.
“Nun…” sie zögerte. “Also, der Hans-Peter meinte, es sei vielleicht besser, wenn wir uns eine Weile nicht mehr sehen. So etwa 50 Jahre, hat er gesagt.” Sie blickte an die Decke des Hausflurs und ich sah, wie sie rechnete. “Da bin ich dann ja schon ÜBER 70!” rief sie nach einer erschreckend langen Zeit aus. “Jedenfalls meinte er, dann hätte er vielleicht vergessen, dass ich versucht habe, ihn umzubringen… weiß jetzt auch nicht, was er damit gemeint hat. Er lebt ja noch!”
“Ein Versuch war’s wert.” entgegnete ich freundlich lächelnd. Aber Blondie hatte keinen Sinn für solch feine Ironie.
“Er hatte sein Testament eh noch nicht für mich geändert, also hätte es gar keinen Sinn gemacht, ihn umzubringen! Das habe ich ihm auch versucht zu erklären, aber er hat es, glaube ich, nicht verstanden.”
Ich bekam einen Hustenanfall. Ich hoffe echt, dass bei Rambo nichts zu holen ist. Blondie fuhr unbeirrt fort: “Und dann wollte ich dich noch fragen, ob du vielleicht die Telefonnummer von dem Typen hast, der sich so nett um mich gekümmert hat… Wie hieß denn der?”
“Erzd… vergiss es!” rief ich.
Sie überlegte kurz. “Dann vielleicht von dem anderen? Der war auch ganz niedlich. Ich glaube, du hast ihn Paul genannt.” Ich hutstete erneut. Sehr laut. “Verdient man eigentlich gut? So als Rettungsmensch?”
“Sicherlich kein Vergleich mit Hans-Peter.” sagte ich.
“Ja… der war ja auch schon etwas älter… ich hab’s eigentlich nicht so mit älteren Männern, aber seitdem es diese blauen Pillen gibt, bin ich da nicht mehr ganz so streng.”
Das war eindeutig zu viel Information für meinen Geschmack.
“Äh, Blondie, mein Mangold-Kichererbsen-Salat wird kalt und Ivan braucht eine neue Wärmflasche. War’s das?”
Blondie setzte ihren besten Dackelblick auf und vergaß dabei wohl, dass ich als Frau dagegen weitestgehend immun bin. “Eine Sache noch… ich muss ein paar Tage weg, und da habe ich mich gefragt, ob du vielleicht so lange auf Chi…” weiter kam sie nicht, denn ich knallte ihr einfach die Tür vor der Nase zu.

Ich habe dann nochmals drei Stunden lang Yoga gemacht.


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