Abschuss eines türkischen Militärjets: Eskalation der Syrien-Krise?

Tartus, ist das strategische Codewort für das russische Interesse an Syrien und zugleich Name der syrischen Hafenstadt und des russischen Flottenstützpunktes an der Levante Küste. Bis kurzem ankert dort der einzige russische Flugzeugträger „Admiral Kuznetsov.“ Die Flottenbasis ist die einzige direkte Mittelmeerpräsens Russlands und damit geostrategisch von enormer Bedeutung. Hinzu kommen ausgeprägte wirtschaftliche Beziehungen zu Syrien, die den Kremel zum Schulterschluss mit dem mehr oder weniger gefügsamen Assag Regime veranlassen. Der Westen, respektive die NATO, schätzte all die Jahre über den relativ stabilen Staat, auch wenn er immer noch eine ernste Bedrohung für Israel darstellt.

Durch die gezielte militärische  Aufrüstung Israels wurde aber eine ausreichend starke Gegenmacht etabliert, die alle mögliche Angriffe abwehren kann. Dadurch ist eine Art Pattsituation zwischen NATO/Westen und Russland/Syrien entstanden. Deutschland ist insoweit involviert, als es Mitglied der NATO ist und wegen seiner Staatsräson – die Israels Schutz zum wichtigen Aspekt hat – Miltärgüter liefert. Die atomwaffenfähige U-Boote der Dolphin Klasse sind nur ein Beispiel dafür.

 

Reaktion über den Abschuss des türkischen Militärjets über syrischen Territorium

In diesem strategischen Kontext gesehen, ist der Abschuss eines türkischen Militärjets an der Küste Syriens eine gefährliche Situation, die nun auch zum Thema der NATO geworden ist. Ankara verschärfte nach dem Abschuss seine Tonlage gegenüber Syrien: Der Vorfall sei eine “feindliche Tat” und stelle eine “ernste Bedrohung für Frieden und Sicherheit in der Region” dar, heißt es in einem Schreiben der Türkei an die Uno. In dem Brief fordert Ankara nach Angaben der BBC allerdings keine konkreten Schritte von der Uno. Der Jet, habe sich in internationalem Luftraum befunden, betont der türkische Uno-Botschafter Ertugrul Apakan in dem Schreiben an den Sicherheitsrat und Generalsekretär Ban Ki Moon.

 

Der NATO Verteidigungsfall: Territoriale Integrität Syriens nicht ausschlaggebend?

Damit relativierte die Türkei ihre vorherigen Aussagen, wonach das Flugzeug sich zumindest zeitweise im syrischen Luftraum befunden habe, wobei dies aber ein übliches Routine Verfahren gewesen sei. Es wird weiter argumentiert, dass der unbewaffnete Aufklärungsjet kein feindliches Manöver unternommen habe und sei ohne Vorwarnung abgeschossen worden sei. Der Angriff, bei dem vermutlich zwei Piloten ums Leben gekommen seien, stelle eine “feindliche Handlung” Syriens gegen die “nationale Sicherheit” der Türkei dar. Ankara verurteile dies scharf. Syrien bestätigte den Abschuss, betonte dabei aber, dass dieser mit Boden – Luft Raketen erfolgt sei, nachdem die Maschine sich im Radarbereich der Abwehranlagen befunden habe.

Dies deutet sehr darauf hin, dass sich der Jet über Syrischen Territorium befunden hat, und damit eine Luftraumverletzung begangen hat. Warum diese Verletzung internationalen Rechts durch die Türkei routinemäßig sein soll und in irgendeiner Weise legitim ist; darüber gab es von türkischer Seite keinen Kommentar.  In den Medien wird dies übrigens auch nicht weiter thematisiert oder kritisch hinterfragt. Die moralische Begründung, dass das Assad Regime humanitäre Verbrechen am eigenen Volk verübe, und man die Situation aufklären müsse, greift nicht, weil es weder ein UNO Mandat für einen militärischen Einsatz zum Schutze des syrischen Volkes gibt, noch ein NATO Bündnisfall aufgetreten war. Dass es völlig unverständlich ist, weswegen die UN nicht reagiert, steht dabei auf einen anderen Blatt.

Eben diesen Bündnisfall zu konstruieren war aber wohl die politische Absicht der Türkei: provoziere einen Angriff und deklariere diesen als Bündnisfall.

Auf Antrag der Türkei ist die Nato daher am Dienstagmorgen zu einer Krisensitzung zusammengekommen. Das Treffen der Botschafter der 28 Bündnisstaaten im Brüsseler Hauptquartier war auf der Grundlage von Artikel 4 des Nato-Vertrages einberufen worden, der eine Konsultation vorsieht, sobald ein Mitglied seine Sicherheit gefährdet sieht.

Diplomaten betonten, ein Militäreinsatz gegen Syrien stehe nicht zur Diskussion und sei auch von der Türkei nicht vorgeschlagen worden. Über einen solche Mission würde in der Nato gemäß Artikel 5 des Bündnisvertrages beraten. Damaskus warnte die Militärallianz vor der Sitzung vor einer “Aggression”. Nach dem Treffen will Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen eine Stellungnahme abgeben.

 

Geostrategie und Geld sind wichtiger als Menschenleben

Die Lähmung der internationalen Gemeinschaft fasste Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) am Montag in Luxemburg nach einem Treffen der EU-Außenminister unfreiwillig treffend zusammen. Mehrere EU-Länder warnten vor bereits einem militärischen Einschreiten. ”Es geht darum, dass wir einen Flächenbrand, einen Stellvertreterkrieg in der gesamten Region verhindern müssen. (..) Wir beteiligen uns an keinerlei Spekulationen über militärische Interventionen, wir raten auch entschieden davon ab”, so Westerwelle. Russlands Wirtschafts- und Militärinteressen werden damit weiterhin eine Lösung des Konfliktes in Syrien verhindern. aber, seien wir ehrlich, Syrien verfügt auch nicht über genügend Öl oder andere für den Westen wichtige Rohstoffe, um mehr Entschiedenheit zu provozieren. Die Menschen sterben, weil geostrategische Positionen und Geld wichtiger sind, als Menschenleben.

es grüsst euch René Brandstädter – humanicum


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