A Ghost Story
7DramaKann ein Geist unter einem Bettlaken heutzutage wirklich noch jemanden Angst einjagen? Eigentlich nicht, aber das Gute ist, David Lowery versucht mit A Ghost Story gar keinen Horrorfilm.
Der junge Musiker C (Casey Affleck) stirbt bei einem Autounfall. Anstatt in das Licht zu gehen, bleibt er als Geist auf der Erde und kehrt zurück in das Haus, wo er mit seiner Frau M (Rooney Mara) gelebt hat. Eingehüllt in ein Leintuch und mit zwei Löchern für die Augen ist er fortan an diesem Ort gefangen bis er Erlösung findet. Während die Zeit selbst für ihn keine Rolle mehr spielt, beobachtet er als unsichtbarer Geist die zahlreichen Bewohner seines ehemaligen Zuhauses, ihr Kommen und Gehen, und das Schicksal des Gebäudes an sich.
So absurd die Idee eines Geistes in einem Leintuch auch klingen mag, David Lowery gelingt es mit diesem Kunstgriff, der dem Schauspieler bzw. der Figur unter dem Leintuch durch seine Unsichtbarkeit quasi das Gesicht nimmt und ihn auf gewisse Weise entmenschlicht, die Loslösung des Zuschauers von einer emotionalen Bindung zu einem Charakter. Stattdessen wird der Geist zu einer Projektionsfläche der eigenen Gefühle, im wahrsten Sinne des Wortes ein weißes, leeres Tuch, auf das der Zuschauer seine ganz persönlichen Interpretationen, Erfahrungen, Empathien und Emotionen projiziert, während der Geist, einsam und verlassen, durch den Ort seines früheren Lebens spaziert. Die Körpersprache des Geistes alleine reicht aus und wird zusätzlich davon unterstützt, dass Lowery dem Publikum keine leichten Antworten oder Schlussfolgerungen präsentiert, er lässt genug Spielraum und man muss sich seine eigenen Gedanken dazu machen.
Mag sein, dass der Film dadurch auf jeden anders wirkt, dass es manche kalt lassen wird, wenn der Geist alleine in einem leeren Haus sitzt, der einzige “Freund” den er noch hat, der Geist im Nachbarhaus, wenn sie ganz selten ohne Worte durch die Fenster miteinander kommunizieren, oder wenn er durch ein Haus voller Mensch wandelt und scheinbar neugierig (oder auch nicht?) einem langen Monolog lauscht. Man erfährt nie, was der Geist fühlt oder denkt oder ob er dazu überhaupt noch in der Lage ist, deshalb muss man diese Emotionen selbst ausfüllen und durch die ruhige Art von Lowerys Inszenierung und dem Umstand, dass rein gar nichts erklärt wird, was da geschieht, zwingt der Regisseur einem beinahe zum aufpassen und etabliert dabei gleichzeitig eine Atmosphäre von tiefster, existenzieller Traurigkeit.
Dennoch ist seine Inszenierung, vor allem am Beginn der Geschichte, gerade in seiner offensichtlichen Verwechslung von alltäglicher Dramatik mit redundanter Banalität gezeichnet. Man stolpert von einer langen, fragwürdigen Szene in die Nächste. Fragwürdig deshalb, weil man die Figuren bei ihren banalen Handlungen beobachtet, während schlichtweg nichts geschieht, während sich keinerlei Spannung oder Dramatik aufbaut und man sich deshalb fragt, wozu man diese Szene nun sehen muss. Oftmals tragen sie weder für die Figurenentwicklung, noch für den Handlungsverlauf eine entscheidende Rolle, im Gegenteil, sie scheinen nur deswegen ihre filmische Existenzberechtigung zu haben, weil sie schön gefilmt sind und weil der Regisseur vielleicht eine bestimmte Laufzeit für den Film erreichen wollte. Dieser, man muss es sagen, langweilige und zähe Anfang reißt einem schon aus dem Geschehen heraus, bevor es noch richtig angefangen hat.
Womit A Ghost Story dann wieder die Aufmerksamkeit zurückgewinnt, ist unter anderem Lowerys Einsatz von Musik und sein Umgang mit der filmischen Zeit. Vor allem letzteres zwingt den Zuschauer quasi wieder zum Aufpassen, wenn man merkt, dass für den Geist Zeit anders verläuft. Wenn nur nicht dieser langwierige Anfang wäre, wo es Lowery misslingt die Geschichte bis zum eigentlichen Start der Handlung mit irgendeiner Art von Spannung oder Dramatik zu beleben, dann hätte aus A Ghost Story ein meditatives Meisterwerk werden können, so jedoch bleibt es ein zwar sehr guter Film, mit vielen interessanten Ansätzen, zu mehr reicht es jedoch nicht, auch wenn die Geschichte dieses verlorenen Geistes durchaus lange Zeit im Gedächtnis bleibt.
Regie und Drehbuch: David Lowery, Darsteller: Casey Affleck, Rooney Mara, Kenneisha Thompson, Grover Coulson, Filmlänge: 92 Minuten, Kinostart: 07.12.2017, gezeigt auf der Viennale 2017
Autor
Marco RauchAufgabenbereich selbst definiert als: Kinoplatzbesetzer. Findet den Ausspruch „So long and take it easy, because if you start taking things seriously, it is the end of you” (Kerouac) sehr ernst zu nehmend.
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