Gastbeitrag von Mathias Gößling, er ist Werbetexter und Gründer der Wechselwelle, einer unabhängigen und nicht-kommerziellen Kampagne für Ökostrom und Ökogas. Mit Mathias habe ich mich auch in einem Podcast über die Energiewende unterhalten.
Nur 6 Prozent der Menschen in Deutschland sind sich sicher, dass eine weltweite Energiewende den Klimawandel aufhalten würde. 61 Prozent glauben, dass die Energiewende in Deutschland bis 2020 abgeschlossen sein wird. Das sind die Ergebnisse einer kürzlich veröffentlichten Umfrage, die von der arbeitgebernahen „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ in Auftrag gegeben wurde.
Ich finde diese Ergebnisse schockierend. Die Energiewende ist das größte Infrastrukturprojekt in der Geschichte der Bundesrepublik, aber offenbar wissen nur sehr wenige Menschen, was der Begriff eigentlich bedeutet. Dabei ist die Faktenlage klar:
Der Atomausstieg, also die Abschaltung aller deutschen Atomkraftwerke, soll bis 2022 abgeschlossen sein. Unter „Energiewende“ versteht man dagegen die vollständige Umstellung der Energieerzeugung auf erneuerbare Quellen. Umweltorganisationen wie Greenpeace fordern, diesen Prozess in Deutschland bis 2050 zu 100 Prozent abzuschließen. Nach den Plänen der Bundesregierung soll der Anteil der Erneuerbaren bis 2050 dagegen nur auf 60 Prozent ansteigen. Die Energiewende ist also ein sehr langfristiger Prozess, der wohl frühestens um die Mitte des Jahrhunderts vollendet werden kann.
Was den Klimawandel betrifft, hat die internationale Gemeinschaft auf dem Klimagipfel in Cancún 2010 beschlossen, dass die Erwärmung der Erdatmosphäre zwei Grad nicht überschreiten soll. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen die Treibhausgasemissionen bis 2050 um mindestens 50 Prozent reduziert werden. Die Verbrennung von Kohle, Öl und Gas ist für etwa die Hälfte der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich. Ein vollständiger, weltweiter Wechsel von fossilen Energieträgern zu erneuerbaren Energien könnte also ausreichen, um den Klimawandel zu stoppen. Natürlich ist es wichtig, auch die anderen Ursachen der Erderwärmung zu bekämpfen, zum Beispiel die Entwaldung. Fest steht aber: Wenn es keine Fortschritte bei der Energiewende gibt, ist eine Klimakatastrophe unausweichlich.
Die Umfrageergebnisse kann ich mir nur so erklären, dass viele Menschen die Energiewende mit dem Atomausstieg verwechseln. Dieses Informationsdefizit ist vor allem deshalb problematisch, weil derzeit viel von den so genannten „Kosten der Energiewende“ die Rede ist. Viele denken wohl, dass der Atomausstieg diese vermeintlichen Kosten verursacht. Tatsächlich hat aber zum Beispiel die Ökostrom-Umlage rein gar nichts mit dem Atomausstieg zu tun. Die Umlage gab es schon vor dem Ausstiegsbeschluss von 2011, und danach sind die Einspeisevergütungen teilweise sogar stark gesenkt worden.
Mit der Ökostrom-Umlage werden also unabhängig vom Atomausstieg Investitionen in eine neue Energieinfrastruktur finanziert, die sich langfristig in vielfältiger Weise auszahlen werden, zum Beispiel in Form neuer Arbeitsplätze und Exportchancen.