Am Anfang des Gedichtbandes überrascht uns Lange mit einem «Taglied», das in zarten, tastenden Fügungen vom Erwachen der Sinne am Morgen handelt, von einer poetischen Osmose zwischen dem lyrischen Ich und einer Welt, die immer mehr in den Bann der Digitalisierung gezogen wird. Solche liedhaften Verse setzt Lange immer wieder in scharfem Kontrast zu seinen hart gefügten Standfotos und Collagen deutscher Unheilsgeschichte. Im Gedicht «Ein Foxtrott nicht» werden etwa die Vokabulare und Bildwelten des Flugzeugbaus, der Waffentechnologie, der Vogelwelt und der Ölbild-Komposition eng miteinander verknüpft. Bilder aus der militärischen Sphäre stehen direkt neben Metaphern des Sentiments: «aus der Waffenkammer / hüpft der Kummer». In ihren harten Schnitten, Montagen und Übermalungen erinnern die Gedichte bisweilen an die «Schädelmagie» des 2005 verstorbenen Thomas Kling, mit dem Norbert Lange befreundet war. Dann wieder bezaubert der Autor mit «blitzend fein geschliffnen Wortbeilchen» und ganz leichthändigen Alltagsbildern. In dieser «Kunstkammer» gibt es viel zu entdecken: kryptische Geschichtscollagen, zarte Lieder und magische Dinggedichte. / Michael Braun, NZZ
Norbert Lange: Das Schiefe, das Harte und das Gemalene. Kunstkammer. Verlag Luxbooks, Wiesbaden 2012. 122 S., Fr. 31.40.