92. Kein Mangel an Sprachüberraschungen

Das 21. Jahrhundert eröffnet nicht mit einem programmatischen Jahrzehnt der Lyrik. So etwas gab es auch nur einmal: Das Jahrzehnt des Expressionismus von 1910 bis 1920*). Aber was historisch gilt, muss im Einzelnen nicht zutreffen. Eine Anthologie des Kritikers Michael Braun und des Lyrikers Hans Thill verblüfft nicht nur mit einem exzentrischen Titel: „Lied aus reinem Nichts. Deutschsprachige Lyrik des 21. Jahrhunderts“. Sie ist auch eine weiterführende Verlockung. Diese Auswahl beispielhafter Gedichte widerspricht inhaltlich den „Thesen zur Poesie“ von Michael Lentz, die der zeitgenössischen Lyrik einen Mangel an „Sprachüberraschungen“ und „verqueren Inhalten“ anlasteten. Nun gut, man muss nicht gleich an Stefan Georges „Kraft der Ausdruckserneuerung“ denken.

Es stimmt, Momente der Spracherneuerung und ein abrufbares Potential für Provokation treten seltener in den Vordergrund. Auch gibt es keine literarischen Stimmführer mehr, eher stehen Namen für Repertoire. Die Sattelplätze der Dichterschulen liegen verwaist. Und Erwartungen an einen Kanon müssen grundsätzlich enttäuscht werden. / Jürgen Verdofsky, Badische Zeitung

Michael Braun / Hans Thill (Herausgeber): Lied aus reinem Nichts. Deutschsprachige Lyrik des 21. Jahrhunderts. Verlag Das Wunderhorn, Heidelberg 2010. 246 Seiten, 26,80 Euro.

*) Na, von 2010-2020 wissen wir noch nicht so viel.

 



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