Sammelrezension von Dorothea von Törne, Die Welt 19.2.
Mit der Sammlung von 52 Sonetten wurde der 1979 in Topeka, Kansas geborene Ben Lerner auf einen Schlag berühmt. Wie bei sogenannten „Lichtenberg-Figuren“, die auf vom Blitz getroffenen Körpern für kurze Zeit als baum- und farnartige Muster sichtbar werden, ordnet sich hier ein Kosmos aus dem Zusammenprall von Gegensätzlichem. Aktuelle Diskurse und alltägliche Wahrnehmungen, literarische Zitate und Dialogfetzen verschmelzen zu einer Collage im Gewand des entgrenzenden Sonetts. / Mehr
Ben Lerner: Die Lichtenbergfiguren. A. d. Engl. v. Steffen Popp. Luxbooks, Wiesbaden. 120 S., 18,50 Euro.
Selten fangen Verse die aktuelle gesellschaftliche Atmosphäre so genau und pointiert ein wie diese Prosagedichte. Wörtliche Alltagsrede macht die Verse authentisch. Obwohl sie mittels Selbstironie, Fantasie, Über- und Untertreibung haarscharf am bloßen Abbild der Realität vorbeischlittern, verdichten sie alltägliche Lebensmomente. Von neu aufkommendem Judenhass und Aggressionen gegen Randgruppen weiß das Gedicht „Es saßen drei Leute mit mir am Tisch“. „Fangse nicht von Schuld an“ ist ein typischer Gedichttitel, der Neugier weckt und den Leser mit Einblicken in existenzielle Situationen überrascht und nachdenklich stimmt. / Mehr
Irina Liebmann: Die schönste Wohnung hab ich schon. Transit, Berlin. 72 S., 12,80 Euro.
Solche rasierklingenscharf feministischen Verse hatten wir aus dem patriarchalischen Serbien nicht erwartet. Obwohl die international bekannten Übersetzungen von Charles Simic schon ahnen ließen: Hier geht es um die Dinge selbst und um die ungeniert aus dem Ei gepellten alltäglichen Dämonen. Eine Auswahl aus den Gedichten der 1949 geborenen Grande Dame der serbischen Frauenpower erscheint anlässlich der Leipziger Buchmesse zum ersten Mal auf Deutsch. / Mehr
Radmila Lazic: Das Herz zwischen den Zähnen. A. d. Serb. v. Mirjana u. Klaus Wittmann. Leipziger Literaturverlag. 150 S., 19,95 Euro.