Der Dichter Ferdinand Freiligrath durchlebte 1848 einen Prozess um freie Meinungsäußerung und dichterische Freiheit, wie man sich ihn in vielen Ländern der Welt auch heute gut vorstellen kann, wenn beispielsweise von festgenommenen Bloggern berichtet wird. War sein Gedicht „Die Todten an die Lebenden“ ein Aufruf zur Gewaltanwendung? Im folgenden Teil unserer kleinen Freiligrath-Reihe mit den damals veröffentlichen Verhandlungsmitschriften werden wir in den „Fall“ eingeführt und lesen, was die Zeugen dazu sagten.
Es war in den ersten Tagen des Augustes, als mit einem Male überall in unserer Stadt ein Gedicht von Ferdinand Freiligrath: „Die Todten an die Lebenden“ — genannt, gekauft, gelesen und besprochen wurde. Es machte dasselbe solches Aufsehen und nahm so sehr die öffentliche Meinung in Anspruch, daß wir das Erscheinen des Gedichtes wohl „ein politisches Ereignis“ nennen dürfen. Vielen war das Gedicht eine unwillkommene Gabe, viele dagegen begrüßten es; alle aber sprachen die gleiche Besorgnis aus, der Dichter könne leicht dadurch auf einige Zeit in Untersuchungshaft gebracht werden.
/ Dirk Jürgensen, einseitig.info