Wir sind in Slowenien. Hier, sagen die Leute, ist gerade noch Europa. Gleich an der Grenze zu Kroatien beginnt der Balkan: Denn Kroatien gehörte zum ungarischen Teil der k. u. k. Doppelmonarchie. Für die Kroaten beginnt der Balkan in Serbien, an der Trennlinie zum christlich-orthodoxen Glauben. Die Serben sehen sich ihrerseits als letzte Bastion des Christentums an der Grenze zum Islam der Albaner und Bosnjaken. Aber gehen sie nach Österreich: Wir sind Europa, heisst es dort. Jenseits der Karawanken in Slowenien herrschen slawische Horden. In Deutschland kann man hören, die Österreicher mit ihrem ererbten Vielvölkermix seien eigentlich Balkaner. Die Franzosen sehen sich dank ihrer «civilisation» als Hochburg Europas, denn östlicher, in Deutschland, droht die Barbarei der Teutonen. Ein englischer Journalist sagte mir, im Grunde genommen sei der ganze Kontinent heute eine Art byzantinisch-balkanisches Reich mit Brüssel als dem neuen Konstantinopel. Nur noch die britische Insel verteidige die Werte Europas. Sie sehen, der Balkan ist kein fester Ort. / Slavoj Žižek, NZZ 22.11.