In folgendem Gespräch wird das übliche Frage-Antwort-Spiel umgekehrt und zu einem Antwort-Frage-Spiel. Charles Bernstein wurde gebeten, zu Zitaten aus seinen Texten Fragen zu stellen. Sein umfangreiches, bisher nicht übersetztes Werk befasst sich auf ebenso ironische wie politische und chaotische Weise mit den Unwägbarkeiten aller Bedeutungen
Antwort Bernstein: Xo.
Frage Bernstein: Was ist der kleinste Sinn-Baustein? Ein Fonem – der winzigste Laut, den man als eigenständige Einheit hören kann? Oder ist die Sprache in ihrer Gesamtheit der kleinste Baustein?
Antwort Bernstein: Ideen sind tot, außer im Spiel.
Frage Bernstein: Was denken Sie über die abstrakten Begriffe der Politik, Theologie, Philosophie und Literaturtheorie: Konstruktion und Transzendenz, Sein und Vergeben, Dialektik und Möglichkeit, Freiheit und Rausch, Materialität und Affekt, Melancholie und Staatsbürgertum, Nation und Gedanke, Verwirrung und Wildnis, Demokratie und Begrenzung?
(…)
Bernstein: jed jimmsy’s cack. ib giben durrs urk klurpf. ig ooburs quwate ag blurg.
Frage Bernstein: Sind Sie ein jüdischer Dichter? Für Brian Ferneyhough haben Sie ein Libretto über Walter Benjamin geschrieben, „Shadowtime“ (Schattenzeit). Ist das aus einer jüdischen Perspektive geschrieben? In einem Aufsatz in der Zeitschrift „Radical Poetics and Secular Jewish Practice“ schreiben Sie, dass Sie sich verpflichtet fühlen, die Arbeit nichtreligiöser europäischer jüdischer Kultur weiterzuführen, die im systematischen Vernichtungsprozess des Zweiten Weltkriegs ausgelöscht wurde. Aber ist das nicht alles längst Vergangenheit? Können wir das nicht hinter uns lassen?
Bernstein: Grandiose Verstopfungen.
Frage Bernstein: Wie finden Sie die österreichische Küche?
Bernstein: Wenn ein Text in ein Gedicht-Kostüm gesteckt wird, dann ist das an und für sich eine Provokation, die grundlegenden Fragen zu Sprache, Sinn und Kunst zu betrachten. Chronische Poetische Aporie (CPA).
Frage Bernstein: Gibt es keinen Weg, der Künstlichkeit zu entkommen? Wie wäre es mit natürlicher Sprache und direkten Aussagen? Was ist Ihnen lieber, ein Saal voller Spiegel oder die erhabene Majestät eines in der Morgendämmerung verschwindenden Berges, wenn Nebelschwaden den Anblick wegbrennen wie heimkehrende Engel?
/ Der Standard 20.1.
Charles Bernstein liest am Donnerstag, den 26. Jänner, um 18 Uhr in der Alten Schmiede – Literarisches Quartier, Schönlaterngasse 9, 1010 Wien.