Siegmunds Lied (Walküre I) – „Winterstürme wichen / dem Wonnemond, / in mildem Lichte / leuchtet der Lenz…“ – oder Brünnhildes Lied (Walküre III) – „War es so schmählich, / was ich verbrach, daß mein Verbrechen so schmählich du strafst?“ – haben durchaus poetische Qualitäten. Doch ist eine kritische Betrachtung vieler Passagen angebracht.
Hier geht es nicht darum, unfreiwillig komische Verse anzuprangern – wie etwa Brünnhildes Bitte an ihre Schwester: „Leih’ mir deinen Renner!“, Siegfrieds erotisches Flehen: „Du Weib, jetzt lösche den Brand!“ oder Fafners „zierliche Fresse“. Auch überladene, realparodistische Alliterationen wie in der Hymne Siegfrieds und Gunthers auf ihre Blutsbrüderschaft – „Blühenden Lebens / labendes Blut / träufelt’ ich in den Trank…“ sollen hier außen vor bleiben – bereits Wagners Todfeind Eduard Hanslick hatte sie als „bombastisches Alliterationsgestotter“ verspottet.
Verbale Exzesse seien ebenfalls nur am Rande erwähnt – wie Brünnhildes Brunstschrei im Angesicht des jungen Siegfried: „O kindischer Held! / O herrlicher Knabe! / Du hehrster Taten / töriger Hort!“ Nein – auf dem Spiel steht mehr: die Verständlichkeit des Textes, den Ernst Bloch seinerzeit „bei keiner Aufführung verstehbar“ fand. (…)
Bei den folgenden Sätzen ahnt man nach einiger Überlegung wenigstens, was gemeint ist. „Des Reifes zu walten, / rätlich will es mich dünken“ übersetzen wir dann mit: „Über den Ring Gewalt zu haben, / ratsam will es mir erscheinen“. Und Wotans „Was bist du, als meines Willens / blind wählende Kür?“ entschlüsseln wir durch Assoziation mit „Kür“ (Wahl) und „Willkür“ als „Was bist du anderes, als blind Ausführende meines Willens?“
Bei den nächsten dunklen Beispielen greifen wir wieder aufs transparente Englisch zurück: „Gemahnt es dich so matt?“ bedeutet „Is your memory so weak?“. Und Wotans kurioses „Halte Stich!“ wird als „Keep your word!“ enträtselt. / Theo Stemmler, FAZ