8. Politisierung einer Poetik

Es gibt sie (noch), die sorgfältigen, nicht vereinnahmenden Analysen literarischer Werke durch Literaturwissenschaftler. Ausländische zum Beispiel. Gestern veröffentlichte Cécile Millot (Universität Reims) einen Aufsatz aus dem Jahr 2009 über Bert Papenfuß im Netz. Hier die Zusammenfassung und der letzte Absatz:

Die Lyrik Bert Papenfuß’ zwanzig Jahre nach der Wende – Politisierung einer Poetik

In den 1980er Jahren war Bert Papenfuß in der DDR einer der bekanntesten Dichter der alternativen literarischen „Szene“ des Prenzlauer Bergs. Er gehört zu den Autoren jener Zeit, die heute noch sehr viel veröffentlichen. Seine apolitischen Glaubensbekenntnisse aus den 80er Jahren waren dadurch zu erklären, dass das DDR-Regime von den Schriftstellern gerade politisches Engagement erwartete – im Gegensatz dazu schreibt Papenfuß seit der Wende eine deutlicher politisch orientierte Lyrik. Diese Entwicklung wird hier an Hand der Bände « SBZ-Land und Leute » (1998) und der Reihe « Rumbalotte » / « Rumbalotte continua » (2004-2007) untersucht. Diese respektlosen und lebenslustigen Texte dokumentieren, dass die von Papenfuß seit 1989 durchgemachte Entwicklung als charakteristisch betrachtet werden kann. Seine Techniken haben sich geändert, aber der Dichter bleibt dem Prinzip des Experimentierens mit der Sprache treu. Zwanzig Jahre nach der (Wieder-)Vereinigung demonstriert er zudem auf geradezu militante Weise seine Verwurzelung in einer DDR-Identität. Das anarchistische Engagement, zu dem er sich heute bekennt, drückt sich in seinem poetischen Werk, aber auch in anderen künstlerischen und öffentlichen Praktiken, aus.

Schluß:

Ob es sich um politische oder literarische Aktion handelt – Bert Papenfuß situiert sich schlüssig am Kreuzpunkt beider Projekte. Das unterscheidet ihn von Dichtern seiner Generation, die seine Erfahrung teilten. Unter jener dieser Autoren, die bis heute produktiv geblieben sind, kann man die Beobachtung machen, daß sich die Bekanntesten einer eher klassischen poetischen Praxis zuwandten. Durs Grünbein zum Beispiel erfreut sich heute großer Aufmerksamkeit. Er ist etwas jünger als Papenfuß, er begann gerade beim Fall der Mauer zu schreiben, er ist zweifellos im Leben und Schreiben weniger von seiner DDR-Herkunft geprägt, obwohl sie dennoch bis heute spürbar bleibt.  Grünbeins Poetik basiert jedoch auf klassischen Bezügen, auf römischen Autoren und antiker Mythologie, der Barockliteratur und dem Sonett. Uwe Kolbe, der derselben Generation wie Papenfuß angehört und eine vergleichbare Biographie hat (er gehörte zur „alternativen Szene“ der DDR), auch wenn er immer zurückhaltender und intellektueller auftrat, hat seinen Platz nach dem Mauerfall im (gelegentlich polemischen) Dialog mit den großen deutschen Autoren gefunden, mit Goethe, Stefan George, den Romantikern, in poetologischen Fragen, in der Begegnung mit Erinnerungsorten. Diejenigen von Papenfuß’ Zeitgenossen, die in der DDR-Vergangenheit verwurzelt blieben, wie Gabriele Stötzer oder Andreas Koziol, haben eher das Feld der Autobiographie gewählt. Bert Papenfuß, heute Rocker und Anarchist, hockt immer noch in seiner Kneipe im Prenzlauer Berg, er ist literarisch und sozial am wenigsten integriert und gehört zu den interessantesten Dichtern.

 

Cécile Millot, « La poésie de Bert Papenfuß vingt ans après la chute du Mur – la politisation d’une poétique », Germanica [En ligne], 44 |  2009, mis en ligne le 01 juin 2011, Consulté le 02 juin 2011. URL : http://germanica.revues.org/612



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