Man kann gar nicht soviel nach-schlagen wie man… brechen müßte: auf-, den Stab –, ins Horn, was weiß ich.
Lyrische Bildhaftigkeit hatte auch der Prosatext von NN zu bieten.
Ja, was sich die Zeitungsschreiber darunter vorstellen. Irgendwie lyrisch, so bildhaft halt. Steht in der Zeitung, es muß stimmen.
Inhaltlich wurde „Utopielosigkeit“ (Christoph Buchwald) diagnostiziert, das seit einigen Jahren als Stoff beliebte Großelternsterben soll in den eingesandten Texten weitergegangen sein, wurde dem öffentlichen Publikum aber zugunsten von unerfülltem Beziehungsleben* vorenthalten.
Ja, das sind Experten, die wissen das. Die Zeitung schreibts auf, da kann mans nächstes Jahr zitieren. Ohne Quellenangabe, versteht sich.
Demgegenüber** steht eine inzwischen hohe Professionalität der jungen Autoren. Bei der Lyrik konnte man ein großes Formbewusstsein beobachten, weder vor traditionellen Formen wie dem Sonett noch vor Reim und Alliteration scheuen heute die Lyriker zurück, blieben aber oft doch merkwürdig spröde, unsinnlich und oft kleinteilige Spracharbeiten.
Professionalität, Formbewußtsein: verdächtig ist das schon. Alles Akademiker wahrscheinlich. Nichts zu sagen, aber das geschwollen ausdrücken!
„Dankeschön, oder in meiner Generation: Scheiß egal“, sagte dagegen der 22-jährige Lyrikpreisträger Martin Piekar.
Ein 22jähriger, ich unterstelle mal, da Lyriker, nicht Großverdiener, dem es scheißegal ist, daß er grad 5.000 Eier bekam? Steht in der Zeitung. Generationsforscher werden es zu zitieren wissen.
Jemand aus dem Publikum meint, er habe “Scheiße, geil!” gesagt. Klingt mir plausibler, steht aber nicht in der Zeitung.***
Mir plausibler, mal genau gesagt. Aber kommts auf mich an? Ich gehöre eingeschlossen, bzw. gehöre, da aus dem Osten, vielleicht zu den 16 % mit einem “geschlossenen rechtsextremen Weltbild”. Steht in der Zeitung, noch dazu einer, die ich seit 20 Jahren abonniert hab, leicht überteuert (sie nennen es “politischer Preis”):
Die Wissenschaftler sind alarmiert: Fast jeder sechste Ostdeutsche hat laut einer neuen Studie ein „geschlossenes rechtsextremes Weltbild“.
Jeder sechste? In meinem Haus wohnen rund 20 Menschen, das wären dann mehr als 3. Nein, meinen Nachbarn mag ich das kaum zutrauen, ob ich es nicht doch selbst bin? Mich haben sie zwar nicht gefragt, aber die haben schon ihre wissenschaftlichen**** Methoden.
Menschen mit einem “geschlossenen rechtsextremen Weltbild” sehen unauffällig aus und tarnen sich beim Reden mit dem Nachbarn. Nur wenn Experten k0mmen, sagen sie ihre wahre Meinung. Sie wählen CDU, SPD, Grüne oder Piraten (alles Parteien, die in Greifswald mehr Stimmen haben als die Nazis).
Interessant sind die Fragen der Experten.
- „Was Deutschland jetzt braucht, ist eine einzige starke Partei, die die Volksgemeinschaft insgesamt verkörpert“ finden gut 19 Prozent der Ostdeutschen (West: 15)
19:15 also. Messerscharf folgern die Experten, daß uns Normalos der Atem schon mal stockt:
In den ersten Jahren stellten die Wissenschaftler noch im Westen des Landes häufiger ein „geschlossenes rechtsextremes Weltbild“ fest als im Osten. Das hat sich inzwischen eindeutig geändert: 2012 hatten gut 7 Prozent der Westdeutschen nach den Kriterien der Forscher eine durchgehend rechtsextreme Einstellung, in Ostdeutschland waren es knapp 16 Prozent.
Demnach meinen 8 Prozentpunkte der Westdeutschen, die die Volksgemeinschaft durch eine starke Partei vertreten wünschen, das gar nicht rechtsextrem, wohl aber eindeutig 16 von den 19 Prozentpunkten der Ostdeutschen mit der gleichen angekreuzten Ansicht.**
- „Auch heute noch ist der Einfluss der Juden zu groß“ finden 19 Prozent der Ostdeutschen (West: 20)
19:20, auch interessant. Liegt Lübeck eigentlich im Osten oder Westen? Die Unterschiede sind ja nicht nennenswert. Ein gepflegter Antisemitismus muß gar nicht rechtsextrem sein. – Folgerichtig auch diese Zahlen:
- „Der Nationalsozialismus hatte auch seine guten Seiten“ finden knapp 9 Prozent der Ostdeutschen (West: 11).
Im Westen gibts einfach mehr Autobahnen.
Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast, soll Churchill gesagt haben. Für unseren Fall variiere ich eine Strophe von Wolf Biermann:
Und auch die deutschen Professorn / was haben wir bloß an denen verlorn / die wirklich manches besser wüßten / wenn sie nicht
Experten wären. Experten & Zeitungsschreiber. Warum vergeude ich immer noch meine Zeit mit denen? Nächstes Jahr lese ich 2 Zeitungen weniger. Schreib ich mir eben mehr selber.
Quellen: Frankfurter Rundschau / Deutschlandradio / taz
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*) wie Goethe (der alte Faust, der junge Werther).
**) In meiner Jugend bedeutete demgegenüber was andres als dem gegenüber, aber daran sind andre Experten schuld.
***) okay, jetzt stehts in der Lyrikzeitung, aber das ist keine richtige Zeitung, Richard sagt das auch.
****) wassenschuftler, wissenschaftler (Papenfuß)
*****) Daß meinem ostdeutschen Laienverstand eine solche Fragestellung provokatorisch vorkommt, so daß ich fast meine, solche Frage von irgendeinem akademischen Lackaffen mit rheinischem Dialekt gestellt provoziere bei manchen Befragten – ich kanns mir bei meinem verstorbenen Vater vorstellen, der in Ulbrichts DDR Adenauerfan war zu meinem Leidwesen und der, wenn die weggegangen wären, gesagt hätte: “Die Heijeijen” (Heugeigen******) – genau die erwarteten Antworten.
******) Mildere Form von Arschgeigen.