7. April 2012, Das Universum im Wassertropfen, 8.19 Uhr

Meine Hand sucht, fährt ins Leere, ins Laken, ballt sich, während meine Augen aufspringen wie zwei Schnappschlösser, die den Koffer öffnen und Tageslicht einströmen lassen. Ich liege noch wie betäubt, wie von einem Großwildjäger erlegt, der sich gleich über mich beugen wird, der mit einem gezückten Messer zerlegen wird, was die Nacht von mir übrig gelassen hat.
Ein staubiger Regen weht über die Autos, über die Dächer, wird wie Wüstensand hin zu den Hügeln mit den Hochhäusern getragen, die ich mir bei meiner ersten Zigarette stets betrachte. Erinnern an Bauklötze von Außerirdischen. In meiner Hand ein Zettel Seraphes, auf dem zu lesen steht, sie sei einkaufen. Ich stehe auf einem Lappen, der meine Schuhe vor der Nässe schützen soll, auf einem kleinen künstlichen Vorsprung, einem Eiland, das umgeben ist von unzähligen Tropfen, von denen jeder, ich stelle mir das so vor, ein Universum beinhalten könnte. Für uns wird dieses Weltensystem nur Sekunden existieren, für die Bewohner dort drinnen aber verfließt die Zeit in den scheinbar gleichen Maßstäben wie unsere. Am frühen Morgen, den ich verschlief, entstand der Tropfen, er dehnte sich aus, Sonnen bildeten sich, Planeten, auch einer, der unserer Erde ähnlich scheint, der sich im idealen Abstand zu einem gleißenden feuerspeienden Stern befand, um Leben darauf entstehen zu lassen. Jetzt in meinem Augenblick des vierten Zugs an der Zigarette wähnen sich die Wissenschaftler dieses Planeten nicht allein, es werden Theorien aufgestellt, die besagen, dass es unendlich viele solcher tropfenartigen Universen geben könnte. Man verlacht sie. Ich beuge mich zum Tropfen runter, bin mir fast sicher, debattierende Stimmen zu hören, hell und grell. Ein weiterer Zug von der Zigarette, schon sind Millionen Jahre im Tropfenuniversum verflossen, längst hat sich der Mensch selbst abgeschafft und eine kluge Affenspezies hinterlassen, die dereinst, niemand ahnte es, auf Gibraltar zur Unterhaltung der Touristen kleine Kunststücke aufführte. Philosophierend hocken die Affen auf dem, was Menschen Fortschritt nannten und das nun von Pflanzen überwuchert wird, die nicht nur das Denken, sondern auch die Dichtung für sich entdeckt haben, die merkwürdige hohe Töne spucken, die nichts anderes sind als ihre Sprache, die sie dazu benutzen von der Schönheit dieser Welt zu künden. Aber schon liegt Unfriede in der Luft, erste Affen, darunter einer namens Polonium Eik, schmieden Pläne, die Pflanzen, die man so gar nicht versteht, und von denen man nicht weiß, was sie im Schilde führen, mit einer selbstgebauten Bombe vom Antlitz des Planeten zu wischen.
Es ändert sich einfach nichts, denke ich, drücke meine Zigarette sorgsam im Aschenbecher aus und gehe in die Wohnung zurück, nicht ohne den Lappen zum Trocknen über eine Vase zu legen, deren Öffnung an ein Maul erinnert, das erstaunt zu mir aufblickt.
Kurz bevor ich die Türe schließe, höre ich ein Seufzen. Könnte aus einem Tropfen gekommen sein. Vielleicht, denke ich und setze mich, um darüber in meinem Tagebuch zu berichten.



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