Jürgen Völkert-Marten
Vogelflug
Hunderter Flügel ruhiger Schlag,
stetig, ohne Zaudern, einer Richtung folgend
und einer dieser Vögel ist mein Leben.
Eine Umkehr? Erst im nächsten.
Jäger, Strom und Fallensteller auf der langen Reise,
Gefährten, Lieben, Glück und Kämpfe ebenso.
Die Träume werden kleiner im Verlauf des Fluges
und ankommen heißt immer: Tod.
Warum dieses Gedicht? Was soll daran faszinieren? Es hat keine einheitliche Struktur, keinen Rhythmus, keine schönen Metaphern, keine modernen Verschlüsselungen.
Allein die Schlichtheit der Aussage überzeugt. Die schiere Beschreibung einer Beobachtung am Himmel. Die nüchterne Schlussfolgerung. Die geradezu beamtenhafte Niederschreibung einer Szene mit knappster emotionaler Wertung. Fast kein Gedicht, eher die Anmutung eines Aufsatzes. Fast.
Dabei beginnt der Text eher traditionell, ja überkommen:
„Hunderter Flügel ruhiger Schlag“.
wird sprachlich fast neutral: „stetig, ohne Zaudern, einer Richtung folgend“
bleibt dabei mit konkrekter Behauptung: „und einer dieser Vögel ist mein Leben.
Und hier beginnt die Story.
Der Autor bleibt kühl, gelassen, Beobachter. Keine Sentimentalitäten.
Ein Leben bildmäßig an einem Vogelzug angelehnt. Der Anfang ruhig und gelassen. Das Ende ruhig und gelassen. Dazwischen mehrere Ereignisse. Eigentlich nicht der Rede wert.
Und dann das ebenso schlichte Fazit : „und ankommen heißt immer: Tod.“
An diesem Text, flüchtig gelesen, wäre nichts bemerkenswert.
Bliebe da nicht der Effekt, ständig an diesen Vogelflug denken zu müssen. Warum?
Diese so einfache Metapher des Lebens, gespiegelt im Flug der Vögel, diese so schlichte, emotionslose Beschreibung. Diese so nüchterne, nackte Tatsache. So einfach auf den Punkt gebracht. Jürgen Völkert-Marten ist seit Jahrzehnten bekannt für seine treffenden, knappen Texte. „Vogelflug“ ist ein typisches Beispiel davon, wie Gedichte ohne Pomp, Verfremdung, Verbilderung ein großes Geschehen auf kleinstem Raum darstellen können und nachhaltig wirken.
Peter Ettl