6.211,- Euro für einen neuen Fernseher - das ist aus heutiger Sicht fast unvorstellbar. Ein durchschnittliches Gerät kostet heute rund 400,- Euro. Eine Auswertung der Wochenzeitung „ Welt am Sonntag " auf Basis von Daten des Statistischen Bundesamtes, des Instituts der Deutschen Wirtschaft und der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung schätzt den typischen Preis auf 435,- Euro. Das ist sogar weniger als 1960, damals hatte ein Fernsehgerät noch rund 900 DM gekostet. Und das Gerät konnte nur Schwarzweiß.
Nominallöhne seit 1960 um 992,5 Prozent gestiegen
Außerdem war der Jahresverdienst eines Durchschnitts(west)deutschen damals noch deutlich niedriger. Nach den Daten der Zeitung verdiente er damals umgerechnet 3.144 Euro (natürlich bekam er damals DM, also rund 6.300) pro Jahr, wovon nach Steuern und Abgaben 2.429 Euro übrig blieben.
Die Zeitung beschreibt das als „Durchschnittseinkommen für einen Ledigen ohne Kinder". Ich vermute, dass damit das Brutto- beziehungsweise Nettoäquivalenzeinkommen gemeint ist. Dabei werden die Einkommen auf Basis einer Äquivalenzskala für einen fiktiven Alleinstehenden umgerechnet. Beispielsweise wird unterstellt, dass ein Einkommen von 2.400 Euro bei einer Familie mit drei Kindern einem Einkommen von 1.000 Euro eines Alleinstehenden entspricht (eine Kritik von mir an dieser Annahme findet man hier).
Für den heutigen, gesamtdeutschen Bürger kommt die Statistik auf 34.347 Euro im Jahr, wovon allerdings nur 22.201 Euro beim Bürger ankommen.
Erste Erkenntnis: Entgegen vielen anders lautenden Behauptungen ist die Steuer- und Abgabenlast heute deutlich höher als 1960, statt 77,6 Prozent kommen nur 64,6 Prozent direkt beim Bürger an. Würde die Deutschen heute genauso viel Netto vom Brutto bekommen wie 1960, hätten sie ein durchschnittliches Nettoäquivalenzeinkommen von 26.645 Euro, rund 4.400 Euro mehr.
Relativ billiger
Nach den Berechnungen der „Welt am Sonntag" musste der durchschnittliche Deutsche im Jahr 1960 noch rund 347 Stunden für einen Fernseher arbeiten, im Jahr 1991 noch fast 79 Stunden und im Jahr 2017 nur rund 24 Stunden. Mit anderen Worten: Einen Menschen des Jahres 1960 musste für einen Fernseher den gleichen Teil seines Lohnes aufbringen den wir bezahlen müssten, wenn ein Fernseher heute 6.211,51 Euro kosten würde. Das ergeben meine Berechnungen auf Basis der Erhebung der Welt.
Allerdings ist auch kein anderes der aufgeführten Produkte seit 1960 so viel billiger geworden wie der Fernseher. Für das Gerät müssen die Deutschen heute 93,0 Prozent weniger lang arbeiten als noch 1960, ein Rückgang von 4,6 Prozent pro Jahr. Ähnlich stark ist auch der Kühlschrank günstiger geworden (-89,1 Prozent, 3,8 Prozent pro Jahr). Daneben auch zwei auf landwirtschaftlichen Produkten basierende Erzeugnisse, nämlich Brathähnchen (-90,8 Prozent, -4,1 Prozent pro Jahr) und Bohnenkaffee (-90,5 Prozent, -4,0 Prozent pro Jahr).
1960 kostet praktisch alles deutlich mehr, wenn man die Preise ins Verhältnis zum Lohn setzt. Selbst Benzin und Strom sind deutlich günstiger geworden, zumindest im Vergleich zu 1960. Gegenüber 1991 gilt das nämlich für diese beiden Produkte nicht mehr. Zusammen mit den Tageszeitung gehören sie zu den Produkten, für die man heute länger arbeiten muss als 1991. Vor allem Tageszeitungen sind relativ deutlich teurer geworden, als einziges Produkt sogar im Vergleich zu 1960, aber dazu später mehr.
Betrachtet man den durchschnittlichen relativen Preisrückgang pro Jahr, dann haben sich nur Fernseher seit 1991 ähnlich stark verbilligt wie von 1960 bis 1991, nämlich um jährlich 4,6 statt zuvor 4,7 Prozent (natürlich auch hier gemessen in nötiger Arbeitszeit). Flaschenbier, Bohnenkaffee sind dagegen um weniger als 1,0 Prozent pro Jahr erschwinglicher geworden. Von Benzin, Zeitungen und Strom war ja schon die Rede. Das bedeutet, dass die niedrigere Lohnsteigerung seit 1991 sich nicht 1:1 auch in den Preisen niedergeschlagen hat.
Sonderfall Tageszeitung
Auffällig ist die Tageszeitung, sie ist als einziges Produkt heute teurer als 1960. Statt 99 Minuten im Jahr 1960 und 71 Minuten im Jahr 1991 muss man heute 117 Minuten dafür arbeiten. 34,94 kostet das durchschnittliche Monatsabo den Statistikern zufolge. Müsste man heute genauso lange dafür arbeiten wie 1960, würde es nur 29,56 Euro kosten. Hätten sich die Preise wie die für Kinokarten entwickelt, wären sogar nur 20,78 fällig. Das den Zeitungen die Abonnenten davon laufen hat also auch damit zu tun, dass sie teurer geworden sind. Erst recht gilt das, wenn man bedenkt, wie viel billiger andere Produkte geworden sind, in die Verbraucher ihr Geld deshalb lieber stecken. Die Volkswirte nennen das einen Substitutionseffekt.
Über die Frage, warum Zeitungen so viel teurer geworden sind, kann ich nur spekulieren. Ein wichtiger Grund dürfte der Rückgang der Anzeigen sein. Viel Geld fließt jetzt ins Internet und dort vor allem zu Google und Facebook, statt zu den Verlagen. Allerdings hat sich die Erschwinglichkeit auch von 1960 bis 1991 viel langsamer verbessert als bei anderen Produkten. Zeitungen wurden in diesem Zeitraum pro Jahr um 1,1 Prozent günstiger, nach den Kinos mit 1,0 war das der schlechteste Wert. Strom wurde um 3,4 Prozent pro Jahr günstiger.
Das liegt auch daran, dass es bei Tageszeitungen weniger Rationalisierungspotential gibt. Kühlschränke und Fernseher werden heute entweder in Niedriglohnländern produziert oder aber nahezu vollautomatisch. Bei Zeitungen gab es weniger Einsparpotentiale. Allerdings kommen E-Paper ganz ohne Druck und Zustellung aus und sind bei einigen Verlagen trotzdem genauso teuer wie die klassische Zeitung, etwa bei der Wochenzeitung „Die ZEIT". Immerhin gibt es bei einigen Zeitungen wie der Welt, von der ich diese Daten habe, einen günstigen Zugang über Paid Content Angebote ab 9,99 Euro.
Die Zeitungen müssen sich also auch fragen, ob sie nicht zu wenig dafür getan haben, ihre Angebote bezahlbar zu halten.