6. Oktober 2010, Traumschleife, 5.53 Uhr

Kaffee, Zigarette.
Da saß er. Müde. Ausgelaugt. Seine Augen brannten. Rief seine Mails ab. Eine war vom Textem-Verlag. Es ging um eine Lesung in Berlin im November. Mal sehen. Er nahm einen Schluck von seinem Kaffee. Drehte sich zum Käfig seins Adlers um. Der hieß Fred und war schon wach. Kaute auf etwas herum. Sah nach einer menschlichen Hand aus.
„Fred, was hast du da?“
„Kümmere dich um deine eigenen Geschäfte.“
Dieser verfluchte Vogel, dachte er. Er kramte die Zigaretten aus seiner Hose, klemmte sich eine Kippe zwischen die Lippen. Feuer? Kein Feuer. Also stand er auf. Suchte. Nichts zu finden.
„Fred …?“
„Ich rauche nicht.“
„Du solltest unbedingt damit anfangen.“
„Vögel rauchen nicht.“
„Wegen einer Tasse Kaffee brauch ich dann wohl erst gar nicht anzufragen.“
Fred knabberte weiter an dem Ding in seinem Käfig. Beobachtete ihn. Der Typ war Fred nicht geheuer. Verlor jeden Tag ein wenig mehr die Kontrolle über sein Leben. Solche Freaks musste man im Auge haben.
Schließlich fand er ein Feuerzeug. Leer.
„Dann eben nicht“, sagte er.
Er setzte sich wieder hin. Starrte den Bildschirm an.
„Du wolltest etwas schreiben“, sagte Fred.
„Fresse!“, sagte er.
„Schreib ja keinen Eintrag in diesem Noir-Stil.“
Er drehte sich wieder zu dem Adler um.
„Und warum nicht?“
„Die Scheiße klingt aufgesetzt.“
„Adler verschwinden immer wieder.“
„Ist das eine Drohung.“
„Ein Hinweis. Mehr nicht.“
„Du solltest dich in Acht nehmen“, sagte Fred.
„So? Jetzt drohst du mir wohl.“
„Siehst du das hier?“
„Sieht nach einer menschlichen Hand aus.“
„Das ist eine menschliche Hand, du Idiot!“
„Und wem gehörte sie?“
„Sieh mal genau nach“, sagte Fred. „Oder schreib einfach etwas. Dann wirst du es schon merken …“

Ich zucke nach oben, schlage mich ins Gesicht, schlage mit beiden Händen, bitte, lieber Gott, lass sie noch da sein, klar war sie da, das war nur ein Traum, beruhige ich mich, ein schäbiger Traum, jetzt träumst du schon surrealistische B-Movies, die Seraphe greift nach mir, was ist los, alles in Ordnung, beruhige ich sie, ich hatte da diesen Traum, schlaf noch, sage ich zu ihr, ich schiebe mich vorsichtig aus dem Bett, reibe mir noch einmal die Augen, dankbar darüber, es mit beiden Händen tun zu können, jetzt eine Zigarette, ein Kaffee, denke ich, dann den Eintrag für die Pathologie, ich spähe zum Käfig, der Adler sitzt auf seiner Schaukel, sieht mich gelangweilt an, gut so, ich brauche keine Adler, die auf Menschenhänden herum kauen, ich schalte die Kaffeemaschine an, schalte den Computer ein, rufe die Mails ab, da ist eine vom Textem-Verlag, es geht um eine Lesung in Berlin, komisch, denke ich, die Mail, davon habe ich doch geträumt, ich sitze da, starre sie an, da höre ich hinter mir ein Kichern, ich drehe mich um, der Adler hockt auf einem Ding, sieht aus wie, da werde ich wach, greife mir an die Stirn, ich greife mit beiden Händen, ich will mit beiden Händen greifen, aber da ist nur eine Hand, ich will schreien, da werde ich schon wieder wach …



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