Rolf Spinnler: Die Avantgarde hatte ja durchaus elitäre Züge, wenn man an Lyriker wie Mallarmé, Eliot, Pound oder George denkt. Sie haben sich als Wissenschaftler aber besonders für populäre Kunstformen wie den Abenteuerroman, die Operette eingesetzt.
Volker Klotz: Sicher, es gibt in der Moderne eine Tradition der hermetischen Lyrik. Aber andererseits haben avantgardistische Künstler mit Hilfe von Montagetechniken versucht, die Hochkultur mit Elementen der populären Kultur zu konfrontieren: Wedekind übernimmt in sein Drama „Lulu“ Formen des Zirkus, Strawinsky zitiert in „Petruschka“ Gassenhauer. Die Operette ist eine voravantgardistische Kunstform. Während das hochkulturelle Theater im Verlauf des 19. Jahrhunderts immer individualistischer wird – das Zeichen dafür ist das Verschwinden des Chors -, pfeift die Operette auf die Individualität.
/ Stuttgarter Zeitung 16.12.