Seine Erfahrungen als Stipendiat der Römer Villa Massimo hatte Rolf Dieter Brinkmann in dem Buch «Rom, Blicke» festgehalten. 2008 war auch der Schriftsteller Navid Kermani Gast der Villa Massimo, wo er Brinkmanns Aufzeichnungen las und darin dem 1975 verstorbenen Autor noch einmal begegnete.
Am selben Tag zählt er Maleen in einer Postkarte wie ein Beamter der Reihe nach auf, was er dem jungen Vater unter die Nase gerieben hat, verschärfend am Ende: «Sagte ihm, dass der Kopf ganz schön verrottet sein müsse & Schrott.» Das schreibt der, der in Rom den Oberdeutschen gibt, «Träume von Grünkohl, Pinkelwurst, Schweinerippchen und Salzkartoffeln, vorher eine Sternchennudelsuppe, nachher ein Steinhäger», penetrante Klagen über verschmutzte Bürgersteige, unpünktliche Post, Unordnung, Negermusik, die häufigen Streiks, und sowieso schmeckt das Essen besser in heimischer Wirtsstube.
Brinkmann selbst sah ein, dass die Blätter sich nicht wie erhofft zum Roman fügten, und brach deshalb ab, obwohl sie Blitze enthalten, so unerwartet, Donner und Blitze, die Beobachtung auf dem Strassenstrich vor allem oder Silvester in Olevano. Dazwischen, manchmal über Dutzende von Seiten, Gartengeflüster und Romräsonieren, zäher als unsere Freitagsrunden, Alltagsbeobachtungen, bei denen weder der Alltag noch die Beobachtung bemerkenswert sind, Gemeinheiten, mitunter wirklich reaktionäre Behauptungen, früher in Deutschland und die deutschen Wälder, Hitler war schliesslich ein Österreicher, Amerika verdirbt die Welt; von Informationswert nur für nachfolgende Stipendiaten die Schilderung der Ateliers, des Parks, der Umgebung und des Lebens mit den anderen Künstlern, einen Hausdiener hatte die Villa, dafür fleckige Wände, Namensschmierereien, das Atelier «gross und leer, nichts für mich zum Arbeiten», eine Unmenge Ignoranz, die als Dekonstruktion des deutschen Italienbildes anfangs sympathisch und auf Dauer nicht lesenswerter ist als die Delirien der Altvorderen; was er Goethe vorwirft, «jeden kleinen Katzschiss bewundert der und bringt sich damit ins Gerede», ahmt er negativ nach, «so viel überflüssige Gedanken und Auseinandersetzungen mit diesem Land», die Sprache oft hölzern (bei Goethe ja ebenfalls ungewohnte Unbeholfenheiten), die Fotos austauschbar. / NZZ