56. Skeptische Zuversicht

In die Freude über den großen Teilsieg der ägyptischen Jugend kommt ein Mißton, wenn man die gequälten Gesichter von Merkel und Westerwelle sieht, die ihre Solidarität und Freude, wie man sagt, zum Ausdruck bringen. (Ihr Körper spricht anders als ihre Worte.) Mir fällt eine Gedichtzeile von Brecht ein, der Ende 1948 nach Ostberlin kommt und mit seinen Mitteln helfen will. Er schreibt ein Aufbaulied für die Freie Deutsche Jugend, doch die – in Gestalt ihres Vorsitzenden Erich Honecker – hat Einwände. „Und kein Führer führt aus dem Salat“, schrieb Brecht. Der Vorsitzende denkt, jemand könnte das auf den großen Führer der Völker beziehen, aber sagt, Hitler interessiere doch niemand mehr, das seien olle Kamellen. Und dann, fügt er hinzu, gebe es eine Führung durch die Partei. Brecht beharrt aber auf der Stelle, weil er das Motiv des Sich-selbst-Führens drin haben will.* Eine andere Stelle aber läßt er sich abkaufen. „Werden wir nun diesmal nicht beschissen“, hieß es im Entwurf, „stehn zum Handanlegen wir parat“. In der gedruckten Fassung wird daraus das poetisch schwächelnde „Und trotz Hunger, Kält und Finsternissen“.

Für die ägyptischen Jugendlichen, die ihre Köpfe hingehalten haben, ist das aber jetzt die Hauptfrage: „Werden wir nun diesmal nicht beschissen“! Ich bin skeptischer Zuversicht. (Wie immer, wenn Narren über Zukunft sprechen, fällt mir eine andere Stimme ins Wort).

*) Brecht, Große Kommentierte Berliner und Frankfurter Ausgabe, Band 27: Journale 2, S. 295



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