In meinem Reader gibts eine Liste spezieller Lyrikbuchhandlungen in New York. Aber die Zeit in der Stadt war zu knapp, um sie mit Einkauf zu verbringen. Am dritten Tag fuhren wir weiter durch den ländlichen Staat New York und durch Pennsylvania. Indian Summer in den Appalachen! An einer Raststätte im Waldland gabs “buffet”, dicke und dünne Amerikaner und wir Touristen aßen da nach Leibeslust zum Festpreis. Während die Raucher draußen rauchten, entdeckte ich eine Filiale von Barnes & Nobles. Nur für die Dauer einer halben Zigarette hatte ich Zeit, die Wege sind weit. Hier in der Provinz, im Waldland, gabs ein breites hohes Lyrikregal, wie man es heute in deutschen Großstädten mit der Lupe suchen muß. Ich griff mir auf die Schnelle: Jerome Rothenberg / Pierre Joris: Poems for the Millennium. Vol. 2: From Postwar to Millennium. Ein 900-Seiten-Klopper mit moderner Weltlyrik, aus dem Deutschen dabei auch Mayröcker, Rühm, Bayer, Erb.
Später kamen wir nach Washington und Philadelphia. In Washingtons National Gallery besichtigten wir die französische und amerikanische Malerei, herrliche Stücke von Monet, Degas, Cézanne, Gauguin, Rousseau, Picasso… und Entdeckungen bei den Amerikanern. Unter den Neuentdeckungen aus dem 19. und 20. Jahrhundert auch John Marin (The written sea). Im Museumsshop fand ich Francis Picabia: I am a beautiful monster. Poetry, prose, and provocation. 1921 antwortete er auf die Frage einer Zeitung, ob es eine Krise der französischen Malerei gebe, mit einem Satz: “Ich weiß nichts und ich verstehe nichts.”
In Philadelphia, das einmal die erste Hauptstadt der Vereinigten Staaten war, besichtigten wir pflichtschuldig die historischen Gedenkstätten und suchten dann die größte Orgel der Welt auf. Gegen abend, pflastermüde, wollten wir in der Hafengegend essen, aber da gabs nur Highway und Gewerbe. Also bogen wir stadtzu ein und kamen in ein studentisches Viertel mit etlichen kleinen Galerien, die im Unterschied zu allen Läden geöffnet waren. Es gibt kein Ladenschlußgesetz, aber abgesehen von Supermärkten waren die meisten Läden nach 18 Uhr zu. Plötzlich ein hellerleuchtetes Schaufenster – ein Antiquariat, Öffnungszeit: Täglich von 10 bis 10! Ich fragte nach einer Lyrikabteilung, es gab sie im ersten Stock. Viele viele Meter Lyrikbände. In Rekordzeit von 10 Minuten zog ich dies raus zum Durchschnittspreis von 5 Dollar:
- The Penguin Book of Women Poets
- the virago book of wicked verse
- Suzanne Juhasz: Naked and Fiery Forms. Modern American Poetry by Women: A New Tradition
- Derek Walcott: Collected Poems 1948-1984
- Archibald MacLeish: The Wild Old Wicked Man and Other Poems
- Bob Holman’s The Collect Call of the Wild
Damit kann ich arbeiten.