in alter Bekannter hat mich in der Nacht aufgesucht, der sich Schmerz schimpft und der hier eigentlich nichts zu suchen hat, der mich die Augen zusammen kneifen, in die Nacht starren ließ.
Verpiss dich!, hätte ich ihm gerne zugerufen, war aber zu sehr mit seinem Muskelspiel beschäftigt.
Dabei artete der gestrige Abend zu einem Wunder aus, weil er mich mit einem ebenso merkwürdigen wie großartigen Film zusammenbrachte. Die Haut, in der ich wohne. Ein Film, mit dem ich noch nicht fertig bin, und ich vermute, mit dem ich auch nie fertig werden kann, der mich fordert und überfordert, der mich verfolgt und in seinen Händen hält.
Einzig, damit mir die ersten Gedanken am Morgen nicht verloren gehen, hier einige vorläufige Notizen:
Ich bin von diesem Film verwirrt, der sich an meine Fersen heftet, der mir keine Ruhe lässt, weil er viel erzählt, vielleicht alles.
Wer bin ich?
Da sind Haut, Augen, Zähne, Haare, die vom Anderen, vom Gegenüber, vom Betrachter (blicke ich in einen Spiegel, dann kann ich zum Spieler und zum Publikum werden, denn auch dieses Bild findet sich im Film, ein Spiegelbild im Spiegelbild also) interpretiert und mit Sehnsüchten belegt werden.
Da bin ich, aber dieses Ich ist eine Äußerung, die rasch falsch verstanden wird, da sie stets der Deutung unterliegt. Da ist der Vater, der, ob des Schmerzes über eine vermutete Vergewaltigung an seiner Tochter, sich in die Gefangenschaft seiner Rache begibt, der sich in sein Bild von der Welt zurückzieht, da ist der junge Mann, der unter den operativen Eingriffen des Vaters zum Abbild der einst verbrannten Ehefrau eben dieses Vaters mutiert, der mit diesem Akt erschafft und vernichtet, der Verdammnis und Erlösung gleichzeitig heraufbeschwört.
Die Variationen der Inszenierung finden sich in der Inszenierung (und schon hier zeigt sich eine der vielen Doppelbödigkeiten) überall.
Da ist die/der Gefangene, die/der aus Kleiderstoffen Haut für ihre/seine Puppenköpfe gewinnt, da ist der Arzt, der im Labor Haut schöpft, da ist ein Kleidergeschäft, das den Häuten zweite Haut schenkt, da sind die Bildschirme im Haus, die sich wie Häute über die Wirklichkeit legen, da ist die Geschichte, die nur scheint, bis sie kippt, bis sie gehäutet, einen anderen Geschmack auf der Zunge hinterlässt, bis sie unter all ihrem Schein eine andere Wirklichkeit, einen anderen (weiteren) Schein hervortreten lässt.
Wer bin ich? Wer bist du? Was ist die Wirklichkeit? Was sehen wir? Wie inszenieren wir?
All dies erzählt Pedro Almodovar im Stil alter Gruselfilme, nicht ohne noch vom Schönheitswahn der Moderne zu berichten, von den Versuchungen der Wissenschaft, die sich selbstbewusst bestätigen kann, und das schmerzt(!), sie könne die Natur neu ordnen.
Aber dies sind nur weitere Häute über einem Filmkörper, der verführt und schlägt, der nicht Fisch, nicht Fleisch ist, der einem entwischt, wenn man meint, ihn bereits fest in den Händen zu halten.
Der Schmerz, der mich in der Nacht heimgesucht hat, ist gegangen. Ich will hoffen, er wird bleiben, wo auch immer er seine Zelte aufgeschlagen hat. Das Biest sollte sich eine Höhle oben im Wald über unserem Haus suchen. Alte Bunker, in denen sich ein Schmerz einnisten und brüten könnte, gibt es genug, denn ich kenne sie noch aus meinen Kindertagen, aber das ist eine andere Geschichte, die ich jetzt nicht erzählen kann und will.