47. Meine Anthologie 74: Anthologia Graeca (Poseidippos/ Asklepiades/ Nossis)

(Beitrag von 2001. Mehr von der Griechischen Anthologie hier)

I PRELUDE 
POSIDIPPUS

Jar of Athens, drip the dewy juice of wine, drip, let the feast to which all bring their share be wetted as with dew; be silenced the swan, sage Zeno, and the Muse of Cleanthes, and let bitter-sweet Love be our concern.

V, 134
Poseidippos

Spende uns reichlich vom Tau des Bakchos, kekropische Flasche,
  Tropfen seien geweiht unserem neuen Beschluß!
Nichts mehr von Zenon, dem weisen Schwan, und dem Dichter Kleanthes!
  Leiten soll mich als Herr Eros, so bitter wie süß.

(Bd. 1, S. 108)

II LAUS VENERIS 
ASCLEPIADES

Sweet is snow in summer for the thirsty to drink, and sweet for sailors after winter to see the garland of spring; but most sweet when one cloak shelters two lovers, and the tale of love is told by both.

 

V, 169
Asclepiades

Freudig genießt der Dürstende sommers den Eistrank, mit Freuden
  grüßt der Seefahrer den Boten des Frühlings, den Kranz.
Größere Freude bereitet verliebten Pärchen ein Deckbett
  und ein gemeinsames Lob für Aphrodites Geschenk.

(Bd. 1, S. 117)

III LOVE’S SWEETNESS 
NOSSIS

Nothing is sweeter than love, and all delicious things are second to it; yes, even honey I spit out of my mouth. Thus saith Nossis; but he whom the Cyprian loves not, knows not what roses her flowers are. 

 

V, 170


Nossis

„Lieben bedeutet das höchste Glück. Ihm folgen die andern
  Glücksgüter. Honig sogar spiee für jene ich aus.“
So spricht Nossis. Die Frau, der Kypris die Liebe versagte,
  kennt nicht die Schönheit, mit der blühend die Rose sich schmückt.

(Bd. 1, S. 117)

 

 So übersetzt Friedrich Rückert:

Süßer denn alles ist Liebe, und über Lieb’ ist auf Erden
Nichts; auch Honig und Meth reizet den Gaumen mir nicht.

So spricht Nossis, doch wen nicht Cypria liebte, der kennet
Ihre Rosen auch nicht, weiß nicht, wie lieblich sie blühn.

 

Plus doux que l’Amour, il n’est rien ! Les autres bonheurs ne viennent
Qu’en second : de ma bouche, j’ai même recraché le miel.
Voilà ce que dit Nossis. Celle que Cypris n’a pas embrassée,
Celle-là ne sait pas reconnaître les roses parmi les fleurs.

 

Griechisch hier

ANTHOLOGY

 

SELECT EPIGRAMS FROM THE GREEK ANTHOLOGY
by J. W. Mackail
First Published 1890 by Longmans, Green, and Co.

Etext prepared by John Bickers, [email protected] 
and Dagny, [email protected]

http://ftp.sunet.se/ftp/pub/etext/gutenberg/etext00/7efgm10.txt

Deutsche Fassungen von Dietrich Ebener, aus: Die griechische Anthologie in drei Bänden. Erster Band, Buch I ? VI. Berlin und Weimar: Aufbau-Verlag 1981

Die Anthologia Graeca enthält mehr als 6000 Epigramme von über 300 Autoren vom 7. Jahrhundert vor bis zum 10. Jahrhundert nach unserer Zeitrechnung. Sie ist offenbar noch nicht im Netz zu finden – anders als Mackails Auswahl auf englisch bei Gutenberg (Adresse oben).Poseidippos (von Pella): 3. Jh. v.u.Z.
Asklepiades (von Samos): um 300 v.u.Z., ein Freund des Dichters Theokrit. Für seine Bedeutung spricht die Tatsache, daß eine der klassichen Odenformen nach ihm benannt ist: die asklepiadeische. Von ihm erhalten sind nur die (mehr als 40) Epigramme in der Anthologie. Welcher Barbar hat seine Oden verbrannt, weggeworfen, mißbraucht?
Nossis (von Lokroi): die Dichterin lebte um 300 v.u.Z. Poesie und Genauigkeit. Mackails Prosaübertragung von 1890 ist offensichtlich unendlich poetischer als die metrische Übertragung Ebeners. So sehr, daß ich meine, selbst mit einer Übersetzung der englischen Fassung ins Deutsche wäre der deutschen Poesie und ihren Freunden ein Dienst erwiesen.
Ich gehe noch weiter. Kann man Hölderlins (epigrammatische) Kurzode über Weisheit und Eros verstehen, wenn man die griechische Poesie aus deutschen Fassungen wie den obenstehenden kennt? Man lese die englischen Übertragungen – und dann Hölderlin:Sokrates und Alcibiades

»Warum huldigest du, heiliger Sokrates,
 »Diesem Jünglinge stets? kennest du Größers nicht?
  »Warum siehet mit Liebe,
   »Wie auf Götter, dein Aug’ auf ihn?

Wer das Tiefste gedacht, liebt das Lebendigste,
 Hohe Jugend versteht, wer in die Welt geblikt
  Und es neigen die Weisen
   Oft am Ende zu Schönem sich.
(Stuttgarter Ausgabe, Band 1, Seite 260 – Frankfurter Ausgabe Bd. 4, Oden 1)
(Buch XII der Griechischen Anthologie übrigens heißt: Die Knabenmuse. Hölderlin knew.).
Übrigens war es der deutsche Dichter Hölderlin, der – auf Klopstocks Spuren – entdeckte, daß die exakte Nachbildung der griechischen Grammatik im Deutschen poetischer sein kann als die nach den Schulregeln des guten Stils (siehe seine Pindarübertragungen). Mackail sagt wie der Grieche (und die Griechin !): bitter-sweet love, Ebener: Herr Eros, so bitter wie süß.

 



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