35. Jakob van Hoddis

„Dem Bürger fliegt vom spitzen Kopf der Hut, / In allen Lüften hallt es wie Geschrei, / Dachdecker stürzen ab und gehn entzwei / Und an den Küsten – liest man – steigt die Flut.“

Zeitgenossen feierten die düsteren Reime emphatisch als „Marseillaise des Expressionismus“. Kurt Pinthus leitete damit 1920 seine berühmte Anthologie „Menschheitsdämmerung“ ein. Johannes R. Becher, selbst Lyriker und früher DDR-Kulturfunktionär, erinnerte sich 1957 rückblickend an die Wirkung des Poems: „Diese zwei Strophen, o diese acht Zeilen schienen uns in andere Menschen verwandelt zu haben, uns emporgehoben zu haben aus einer Welt stumpfer Bürgerlichkeit. Wir fühlten uns wie neue Menschen, wie Menschen am ersten geschichtlichen Schöpfungstag, eine Welt sollte mit uns beginnen, und eine Unruhe, schworen wir uns, zu stiften, dass den Bürgern Hören und Sehen vergehen sollte.“ …

1926 befand er sich in so desaströsem Zustand, dass seine Mutter ihn entmündigen ließ. Ein Jahr später lieferte man ihn nach einem eskalierten Streit mit Nachbarn in die geschlossene Abteilung der Tübinger Universitätsklinik ein.

Dort kam er unter die Obhut des berüchtigten rassistischen Chefarztes Robert Gaupp, der über die vermeintliche „Frühverblödung“ des Dichters Hölderlin vor 1843 äußerte, der Tod hätte ihn „von einem wertlos gewordenen Leben befreit“. Dieser Zynismus gewann Gestalt in den Massenmorden an „Minderwertigen“, die Hitler legitimierte. Auch van Hoddis fiel diesem Wahn zum Opfer. Im April 1942 deportierten ihn die Nationalsozialisten in das polnische Vernichtungslager Sobibor, wo er vermutlich im Mai oder Juni vergast wurde. / Ulf Heise, Märkische Allgemeine



wallpaper-1019588
LUCK LIFE: Band feiert Europapremiere auf der Connichi
wallpaper-1019588
Wind Breaker: Deutscher Simuldub bei Crunchyroll gestartet
wallpaper-1019588
Kizuna no Allele: Erste Staffel erscheint auf Disc
wallpaper-1019588
Acro Trip: Promo-Video verrät Startzeitraum