Die Isländer finden in rauer Welt im Wiederholen ihrer Dichtung kontemplativen Frieden. Und immer gilt, ein Dichter ist ein Dichter, auch wenn er sein Glück „im Hering“ suchen muss, wie der Ich-Erzähler im Roman „Islands Adel“ von Thórbergur Thórdarson. Ein Gedicht von diesem Thórbergur kommt auf die Titelseite eines Reykjavíker Magazins, und schon gehört er zum Adel. Denn bei Anbruch der modernen Zeit am Weltrand, der Roman spielt 1912, zeigt sich „Islands Adel“ als vagabundierender Literatenhof. Das unwirtliche Land hat zu dieser Zeit kaum hunderttausend Einwohner, aber eine dichtende Boheme, aufsässig wie die Künstlermilieus im fernen Europa, selbstgewiss bei jedem Wetter. Bei Geldmangel geht man klaglos zur Heringsverarbeitung, lebt von einer Saison zur anderen. Der Hering bleibt die Antithese zur Literatur, aber alle leben von ihm. … Die Bohemiens flanieren „in lyrischer Verzücktheit“ durch den nordisländischen Heringsort Akureyri, deklamieren mit „tränenerstickter Stimme“, um bald wieder aus „elysischen Höhen in die stinkende Wirklichkeit“ zu fallen. / Jürgen Verdofsky, Badische Zeitung 8.10.