3 Jahre vegan: Tierprodukte essen – Schwarz oder Weiß? Oder vielleicht eher Grau?


Seit ich vegan lebe erscheint mir so einiges klar. Vieles, das ich früher nie hinterfragt habe, hat heute einen vollkommen anderen Charakter bekommen.

Man wächst schlussendlich einfach in diese Gesellschaft hinein, bekommt irgendwas als Wahrheit serviert und hält das dann schlussendlich auch für die eigene Wahrheit. Doch was ist die Wahrheit wirklich? Veganismus? Karnismus?

Der Mensch hat schon immer Fleisch gegessen. Fleisch war für die Entwicklung unseres Gehirns verantwortlich. Wir sind von Natur aus Allesesser. Ohne das Halten von Nutztieren hätten wir uns nie niederlassen und sesshaft werden können. Veganismus ist unnatürlich. Niemand wird vegan geboren. Vielmehr ist es eine Entwicklung unseres privilegierten Erste-Welt-Standards.
Andererseits haben wir es nicht mehr nötig Fleisch zu essen. Früher ist nicht mehr heute. Fleisch allein war nicht für die Entwicklung unseres Gehirns verantwortlich. Und ein typischer Allesesser wie manche das darzustellen versuchen sind wir auch nicht. Heute müssen wir in der Ersten Welt auch keine Nutztiere mehr halten um sesshaft zu bleiben. Ja, Veganismus ist nicht natürlich und die meisten heutigen Veganer wurden auch nicht vegan geboren, sondern haben sich irgendwann einmal dafür entschieden. Weil sie es für das moralisch Richtige halten oder eben aus gesundheitlichen oder anderen weiteren Beweggründen.
Aber Fleischessen ist nicht automatisch ungesund. Man kann sich auch mit Fleisch gesund ernähren. Außerdem muss man als Veganer Vitamin B12 supplementieren. Und durch den Verzicht auf Tierprodukte allein verändert man als Einzelner auch nicht besonders viel. Davon abgesehen ist der Tod Teil des Kreislaufes der Natur. Tiere töten auch andere Tiere.
Ja, geringe Anteile Fleisch können eine Ernährung positiv beeinflussen. Dennoch spielt dabei auch die Art des Fleisches eine Rolle, denn manches gilt als Karzinogen oder steht unter dem Verdacht ein Karzinogen zu sein, siehe Stellungnahme der WHO zu verarbeitetem und rotem Fleisch. Auch als Fleischesser konsumiert man heutzutage Vitamin B12 Supplemente, nur über den Umweg eines Tiermagens. Ein Einzelner kann sehr wohl einiges verändern. Jede Handlung zum Besseren schafft Veränderung. Sei sie auch noch so klein. Und ja, wir alle sterben irgendwann, aber die meisten von uns, die sich gerne als Teil der Natur betrachten, leben nicht mehr in dieser.

Diesen Gedankensplitting könnte man noch ewig so fortführen…

Inzwischen sind 3 Jahre vergangen, seit ich mich für eine vegane Lebensweise entschieden habe. Und dabei habe ich mich vor allem in letzter Zeit gefragt warum ich für mich persönlich gleich das volle „Extrem“ gewählt habe? Warum reicht es nicht einfach Vegetarier zu sein? Warum ist Bio für mich nur ein Label zur Gewissensbefriedigung? Warum möchte ich für mich nie mal eine Ausnahme machen?

In letzter Zeit fällt mir auch immer mehr auf, dass ich gerne in den Kategorien Schwarz und Weiß denke. Nicht nur in Ernährungsfragen, sondern vielmehr allgemein. Graustufen sind für mein Empfinden so unklar. Sie sind in vielerlei Hinsicht verwirrend. Ein anderer mag das anders sehen. So heißt es in Hinsicht auf den Tierprodukteverzicht öfter mal man sollte auch kleine Schritte zu schätzen wissen. Denn jeder Schritt zählt. Wenn jeder nur etwas weniger Fleisch essen, etwas mehr auf die Haltung achten, etwas bewusster konsumieren würde, dann wäre schon einiges getan. Denn man wird nicht jeden überzeugen können keine Tierprodukte mehr zu essen.

Dem stimme ich auch zu. Doch für mich persönlich kommt das nicht in Frage.

Veganismus ist mein Weiß. Es ist in meinen Augen einfach richtig. Denn so vieles spricht dafür, so viel dagegen Tierprodukte zu essen. Und Geschmack wiegt das für mich nicht auf. Geschmack oder „Lebensqualität“ wie manche es nennen, ist in meinen Augen kein logisches Argument. Es ist eine selbst gewählte Graustufe. Das Vereinen zweier Seiten. Dasselbe gilt für Bio. Es ist nicht gut was Tieren in Massentierhaltung widerfährt, also wählt man den Mittelweg. Bessere Haltungsbedingungen versprechen weniger Leid. Dennoch ist es nicht vollkommen leidfrei. Veganismus dem entgegen ist jedoch leidfreier.

Oft heißt es auch mitunter Veganer seien in ihren Ansichten verbissen und wenig kompromissbereit. Dem stimme ich teilweise sogar zu. Es gibt solche, die die Ansicht vertreten ein jeder müsse vegan werden, alles andere zähle nicht. Da wären wir dann wieder beim Argument, dass doch auch kleine Schritte zählen und beachtet werden sollten. Lieber viele gehen kleine Schritte in die richtige Richtung als nur ein paar wenige.
Was ist nun der richtige Weg? Schwarz, Weiß oder vielleicht Grau?

Schwarz und Weiß sind wie gesagt einfach. Es ist klar. Entweder etwas ist richtig oder falsch, gut oder schlecht. Doch Dinge können auch gut und schlecht gleichzeitig sein. So wie jeder von uns nicht nur gut oder schlecht ist. Wir alle haben Anteile von beidem. Die Kunst des erwachsenen Menschen ist es, dass er beides mit einander vereinen kann. Dass er andere, sich selbst eingeschlossen, mit beiden Anteilen betrachten und beides mit einander in Einklang bringen kann.
Doch für andere wiederum ist genau das etwas, das für Unruhe sorgt. Veganismus ist für mich klar. Müsste man eine Pro und Contra-Liste erstellen, so würden die Argumente auf der Contra-Seite überwiegen. Eine einfache Rechnung. Warum also etwas tun, das nur ein paar Pro-Argumente auf seiner Seite hat? Warum etwas unterstützen, das doch die meisten Menschen eigenen Aussagen zu Folge für falsch halten?
Kognitive Dissonanz nennt man das.
Kognitive Dissonanz bezeichnet in der (Sozial-)Psychologie einen als unangenehm empfundenen Gefühlszustand, der dadurch entsteht, dass ein Mensch mehrere Kognitionen hat – Wahrnehmungen, Gedanken, Meinungen, Einstellungen, Wünsche oder Absichten –, die nicht miteinander vereinbar sind.“
Mit anderen Worten: Man hält Massentierhaltung vielleicht selbst für moralisch falsch und spricht sich in Diskussionen moralisch betrachtet dagegen aus, unterstützt mit dem Kauf von Tierprodukten aber genau eben diese Industrie. Die persönliche Ansicht und das eigene Handeln stimmen also nicht mit einander überein. Etwas verwirrend, oder? Da ist es doch simpler wenn die eigene Überzeugung und das persönliche Handeln mit einander in Einklang sind, oder?

Man kann Dinge auf unterschiedliche Arten und Weisen betrachten. Und was ich für mich als klar definiere, mag für einen anderen vollkommen unklar sein. Ein Leben ohne Fleisch? Ein Leben ohne Tierprodukte? Extrem?

Wie gesagt, die Kunst des erwachsenen Menschen ist es Gutes und Schlechtes in seinen Anteilen mit einander zu vereinen. Eine Kunst, die manch einen vor eine Herausforderung stellt. Denn dieses Grau ist weder gut, noch schlecht, weder richtig, noch falsch. Irgendwas von beidem. Es ist ungewiss. Unruhig. Schwammig.
Das mag vielleicht in mancherlei Hinsicht meine Denkweise dazu sein. Ein anderer würde vielleicht sagen die Welt besteht nicht nur aus 2 Seiten. Es gibt dazwischen viele verschiedene Farben. Und das stimmt auch. Denn Schwarz-Weiß-Denken, so klar das manchmal auch klingen mag, kann sehr anstrengend sein. Einfacher ist es da wohl manchmal zwei einander gegensätzliche Dinge einfach neben einander co-existieren zu lassen. Auch wenn diese Dinge sich widersprechen mögen.Wie ist das Essen von Tierprodukten nun zu betrachten? Schwarz oder Weiß? Oder in Grauabstufungen? Advertisements

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