Bangs neuere Gedichte folgen einem Abc-Muster („C steht für Cher, „E ist Evident“), wie man es in Grundschulfibeln, die Schülern das Alphabet beibringen, finden mag. Das wirkt ganz so, als müsse auch die Lyrikerin sich nach der Verlusterfahrung erst ihrer Mittel wieder neu versichern und die eigene Sprache buchstabieren lernen. In „N wie Nimmermehr“ erprobt sie sich dazu im Nachgang des berühmten „Raben“-Gedichts von E. A. Poe, das ebenfalls vom Verlust eines geliebten Menschen handelt und daher eine Elegie ist. Zwar lässt sich daraus, wie es scheint, nun kaum mehr Trost gewinnen – „Der Rabe ist jetzt ausgestopft/ In der Form eines erstklassigen / Taxidermischen Augenblicks“ -, doch auch die bewusste Abwendung von Vorgängern und deren Hinterlassenschaft ist eine Form des Dialogs mit ihnen.
Bang hat seit 1997 nicht weniger als sechs Gedichtbände veröffentlicht. Nicht alles davon, so zeigt diese zweisprachige Auswahl in Barbara Thimms Übersetzung, ist gleichermaßen überzeugend. Insbesondere die Gedicht-Folge von 2004, die sich auf zeitgenössische Kunstwerke von Sigmar Polke und anderen bezieht, wirkt durch die erzählerische Ausmalung der Bilder streckenweise banal. Dagegen bieten die frühen Texte bereits eindrucksvolle Auseinandersetzungen mit Tod und Sterben. In „Autopsie“, vielleicht dem stärksten Text der Sammlung, werden dem Anblick einer Leiche Momente von intimer Intensität abgewonnen: «Wie nackt die Seele – demaskiert, entadert,/ausgeweidet. Wie weich das Fleisch/im Tod. Jemand ist gekommen,/ um den Staub abzuwaschen. Maulbeerflecke./ Bleibende Male an verborgnen Orten“ Wer Gottfried Benns Morgue-Gedichte im Ohr hat, kann über solche Lyrismen nur staunen.
Die schön illustrierte Lyrik-Reihe „Luxbooks Americana“ beweist auch mit ihrem achtzehnten Band (dessen Cover-Bild allerdings etwas zu plakativ geraten ist), dass es sich lohnt, den zeitgenössischen Vergegenwärtigungen poetischer Tradition in neuer Sprachform nachzugehen. / TOBIAS DÖRING, FAZ 23.11.
[ob ein Plakat "plakativ", ein Comic komisch oder ein Lyrismus "lyrisch" (lyristisch? lyrismisch?) ist, mag als Geschmackssache durchgehen. Staunen ist dagegen immer gut. M.G.]