29. September 2010, Über Papageien und Autorenhuren, 5.55 Uhr

Kaffee, Zigarette.
Man sollte die Buchmesse gar nicht lieben, die ist nicht liebenswert, die ist ein Markt, da sind die neusten Bücher aufgereiht wie geklonte Papageien, die müssen stumm nebeneinander hocken, während man über ihren Verkauf verhandelt, man packt sie, reißt sie von den Ästen, ein guter Papagei, murmelt ein Verleger, den sollten Sie mitnehmen, der könnte wertvoll werden, immerhin hat der Zoologe Reichenbach bereits eine Besprechung angekündigt, er wird sich darin über sein Gefieder auslassen, darauf einen Sekt, wird der Verleger vielleicht sagen, man wird den Papagei achtlos zurück zu den anderen Papageien stellen und dann unter den Tischen das Geld zählen.

Mein Adler sieht mir beim Schreiben über die Schulter, fragt, wo ist Seraphe, das weißt du doch, gebe ich ihm zur Antwort, die schläft noch. Und werdet ihr denn zur Buchmesse fahren, fragt der Adler, ich drücke seinen Schnabel nach hinten, am Samstag, sage ich, das weißt du doch, dann haben wir die Lesung, wir, fragt der Adler erstaunt, wir, sage ich, mich gibt es nur im Doppelpack mit der Seraphe. Und werdet ihr auch wen treffen, fragt der Adler weiter, du scheinst mir ziemlich ausgeruht, sage ich, habe mich nur an deine Uhrzeiten gewöhnt, sagt der Adler, mit wem trefft ihr euch denn nun, einige Treffen soll es schon geben, aber davon werde ich später berichten.
Beleidigt, weil ich ihm nicht die gewünschte Antwort gab, verwandelt sich der Adler wieder in einen Wellensittich und stürzt sich auf sein Spiegelbild. Die Kämpfe mit sich selbst, mit einem in seinem Käfig hängenden Spiegel, sind ihm die liebsten Kämpfe. Da geht es dem Wellensittich wie den Menschen, denke ich.

Wo waren wir? Mir spukte doch ein Gedanke durch den Kopf. Da ist er ja. Ich packe ihn am Schwanz, er schreit auf, egal, her mit dir.

Wenn Sie also nicht gerade ein Verleger sind, ein Kassenwart, ein Sektkelch oder eine Autorenhure, die ihren Arsch bei den verschiedenen Verlagen anbieten will, dann sollten sie fort bleiben. Reihen Sie sich nicht ein, werden Sie nicht zu einem der zahllosen Thunfische, die Schulter an Schulter durch die Gänge geschoben werden. Nach einigen Stunden hasst man Menschen, man stinkt erbärmlich, und, ja, ein Buch will man auch nie wieder anfassen.
Die Buchmesse ist nichts für den wahren Liebhaber, denn den sieht man mit zittrigen Händen in der Buchhandlung seines Vertrauens. Er steht nie am Tisch mit den Neuerscheinungen, die interessieren ihn erst nach Jahren, wenn sie längst zu Tode geschwiegen oder besprochen wurden. Der Liebhaber greift nach einem Gedichtband von Dylan Thomas, er wird ihn kaufen, die Augen rot unterlaufen, er wird ihn hastig nach Hause bringen und dann flüstern: „Da bist du ja endlich.“ Er wird den Schutzumschlag leicht streicheln, hier einen Kuss setzend, dort einen Kuss setzend. Dann wird er sich einen Whiskey einschenken und lesen.
Ja, diesen Leser wird man nie auf der Buchmesse antreffen.
Du bist doch auch eine von diesen Autorenhuren, krächzt es aus dem Hintergrund.
Schnabel, zische ich zurück.
Ich sollte mich nun um den Adler kümmern, dann gibt es noch einen Kaffee zu trinken, eine Zigarette zu rauchen und später werde ich …



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