29. Gegenkanon

Jeder Kanon hat einen Gegenkanon.

Wer nur den offiziellen Kanon kennt, der könnte schließlich auch zu der Auffassung kommen: Die deutsche Literatur ist von der Moderne weitestgehend unbeleckt geblieben. Nach wie vor stehen Romanmuster aus dem vorletzten Jahrhundert hoch im Kurs, nach wie vor wird metaphernselig gedichtet, klappern Sonette. Die Berliner Ausstellung mit dem Titel »Poetry goes art«, die aus einer weit umfassenderen Präsentation gleichen Titels schöpft, zeigt, wie wichtig die Rezeption der avantgardistischen Literatur von Gertrude Stein für Autoren wie Helmut Heißenbüttel bereits in den fünfziger Jahren war, wie früh es einen internationalen Austausch von Produzenten konkreter und visueller Poesie bis nach Brasilien gab und auf welch hohem Niveau ein Dialog zwischen avancierten Autoren und Wissenschaftlern stattfand, wofür zentral der Name von Max Bense steht. …

Seit den achtziger Jahren wird dieser innovative Teil der deutschen Literatur zunehmend aus der Wahrnehmung gedrängt. Jüngere Autoren und Kritiker kennen sie häufig gar nicht mehr und entblöden sich nicht selten, diese avantgardistischen Positionen als historisch und überholt zu bezeichnen, während sie selbst mit Mustern aus dem 19. Jahrhundert operieren. Die Ausstellung in der Fasanenstraße – lebendig gestaltet mit Film- und Tondokumenten, erarbeitet von Studierenden der FU Berlin – ist eine hervorragende Einführung und zeigt eindrucksvoll, wie weit die besten Köpfe des literarischen Experimentes schon vor Dezennien waren. Dabei werden auch Außenseiterpositionen wie die des notorischen Quertreibers Dieter Roth berücksichtigt, der es nach konkreten Anfängen vorzog, zu schmieren und zu wüten. / Florian Neuner, junge Welt

Noch bis 3. August, Fasanenstr. 23, Berlin-Charlottenburg



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