27.06.2013: Antisemitismus in Europa im 19. und 20. Jahrhundert (9)

27.06.2013: Antisemitismus in Europa im 19. und 20. Jahrhundert (9)Ich fasse hier eine Vorlesung zusammen, in der es um das sehr ernste Thema "Antisemitismus" geht. Hier werden Fakten und Daten zusammengetragen, die u. U. wichtig für unseren Test am Semesterende sind. Ich möchte jedoch NIEMANDEM mit dem Inhalt der Posts dieser VL zu nahe treten, beleidigen oder (um Gottes Willen) aufhetzen! Ich distanziere mich vehement von antisemitischen Ansätzen/ Denkweisen und gebe mir Mühe, dies in meinen Formulierungen DEUTLICH klar zu machen. Guten Morgen, ihr Lieben!Hier nun die (ein wenig verspätete) Zusammenfassung der Vorlesung vom letzten Donnerstag.Im Wesentlichen haben wir damit angefangen, uns mit der Entwicklung des Antisemitismus im Rahmen der beiden Weltkriege (und der Weimarer Republik) zu beschäftigen. Die Ergebnisse lest ihr HIER:Im Laufe der Zeit begannen die staatlichen Behörden immer mehr damit, die Argumentationsmuster der Antisemiten in ihren eigenen Sprachgebrauch zu übernehmen. Sogar in den Schützengräben des Ersten Weltkrieges war der Antisemitismus vertreten.Ein gutes Beispiel hierfür ist ein Fragebogen, der am 11. Oktober 1916 (also mitten im Krieg) vom preußischen Kriegsministerium erstellt wurde. Dieser war von jüdischen Soldaten auszufüllen. Offiziell sollte durch dieses Formular der Vorwurd widerlegt werden, die Juden würden sich vor dem Dienst an der Waffe bzw. dem Krieg drücken. Die jüdischen Verbände reagierten auf diese Art der Stigmatisierung relativ gemäßigt. Die letztendlichen Zahlen wurden in diesem Zusammenhang jedoch nie veröffentlicht. Erst später, im Verlauf der 20er Jahre, wurden sie einem Mann namens Alfred Roth zugespielt, der sie nutzte, um weiter gegen die Juden zu hetzen und zu behaupten, sie hätten sich in einer zu geringen Anzahl am Krieg beteiligt. Faktisch war dem nicht so. Von 550.000 Juden leisteten ca. 100.000 Kriegstdienst, ca. 12.000 starben den "Heldentod". Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Gründung des Reichsbundes jüdischer Frontsoldaten nach dem Ersten Weltkrieg. Hierbei handelte es sich um einen Veteranenbund. Das Phänomen des Antisemitismus wird zudem noch undurchsichtiger, wenn man sich vor Augen führt, dass in Ländern wie Russland, in denen mehr Pogrome stattfanden bzw. der Antisemitismus damit viel präsenter war, immernoch jüdische Offiziere zu solchen gewählt wurden. In Deutschland gab es zwar kein offizielles Verbot, als Jude Offizier zu werden... es gab aber keine mehr, da eben die Wahl immer auf andere Menschen fiel. Es gehörte hier zur "sozialen Praxis" die Juden nicht zu wählen.Im Laufe der Jahre richtete sich der Antisemitismus im Prinzip nicht mehr "nur" gegen Juden, sondern vielmehr gegen die sog. "Flaumacher", also beispielsweise auch gegen die Sozis und die Liberalen. Als "Flaumacher" wurden die Menschen bezeichnet, die einen Verständigungsfrieden anstrebten, anstatt an einem Krieg teilzunehmen, der letzten Endes nurnoch kostete.Vor allem nach dem Kriegsende im Jahre 1918 radikalisierte sich der Antisemitismus immer weiter. Die Niederlage wurde gegen die Juden genutzt; laut Heinrich Claß galten sie als eine Art "Blitzableiter"... das Judentum wurde langsam aber sicher zu einem Synonym für den Bolschewismus. In den späten 20er Jahren machten sich vor allem die radikalen Rechten daran, den Krieg und die damit verbundene Niederlage zu deuten und gegen die Juden zu nutzen. Heinrich Pudor (1865-1943)Heinrich Pudor veröffentlichte im Jahre 1918 die Schrift "Hinaus mit den Juden!" und forderte hier explizit Pogrome in Deutschland auszuführen. Die verbalen Forderungen der Vergangenheit sollten damit wirklich in die Realität umgesetzt werden. In den 1920er Jahren erfolgten immer mehr staatliche Maßnahmen gegen die Juden. Diese Maßnahmen richteten sich vor allem gegen die Zwangsarbeiter bzw. die sog. "Ostjuden". Es kam immer wieder zu Versuchen, diese nach Polen abzuschieben. Im Jahre 1923 wurden sogar Pogrome in Berlin verübt. Der Kampf gegen die Weimarer Republik (oder die "Judenrepublik") war eröffnet.Eine der Fragen, mit denen sich die aktuelle Wissenschaft immer wieder gerne beschäftigt ist, ob die NSDAP, die radikale antisemitische Partei, gewählt wurden OBWOHL oder WEIL sie antisemitisch war. Der Antisemitismus ist zwar fester Bestandteil ihres Parteiprogramms, steht jedoch keinesfalls im Mittelpunkt. Die NSDAP war eine heterogene Partei mit mehreren Flügeln, die jedoch genau durch den Antisemitismus zusammengehalten wurde. Die unruhige politische Lage wurde zudem durch Flugblätter wie "Die Nationale" von Florian Majewski aus dem Jahre 1926 angeheizt. Gerade bei dieser Flugschrift handelt es sich um ein klares Merkmal der Radikalisierung. Hier wird Vertreibung der Juden gefordert und sogar Mordphantasien gefröhnt.Aufgrund der Tatsache, dass es in der Weimarer Republik jüdische Minister gab, könnte man meinen, dass die Emanzipation des Judentums an ihrem Ziel angekommen sei. Berücksichtigt man hierbei jedoch den Umstand, dass es zu immer mehr Hetzereien gegen Juden kam, ist es umso trauriger, dass die staatlichen Reaktionen auf eben letztere sehr schwach ausfielen.Eines der Beispiele hierfür ist das sog. "Republikschutzgesetz" aus dem Jahre 1922. Dieses machte Beschimpfungen der Republik als Staatsform strafbar. Was war aber nun mit dem Wort "Judenrepublik"? War das eine Beschimpfung? Oder doch nicht?Letzten Endes muss leider festgehalten werden, dass viele antisemitische Schriften seitens der zuständigen Justiz einfach bagatellisiert wurden. Hinzu kam das Reichstagsmandat, welches Goebbels und Co. Immunität sicherte. Blickt man heute auf das Reichsgericht als die letzte Instanz muss sogar festgestellt werden, dass dieses zu Zeiten der Weimarer Republik bei antisemitischem Vorgehen deutlich mildere Urteile sprach als beispielsweise im Kaiserreich. Beleidigungen, die sich beispielsweise gegen "die Juden" als Gruppe richteten, galten als zu "allgemein" und wurden nicht weiter verfolgt. Besonders erschreckend ist die soziale Verankerung des Antisemitismus unter Berücksichtigung des sog. "Bäder Antisemitismus". Bestimmte "Bäder", gemeint sind hier Kurorte wie Borkum und Co. warben in dieser Zeit damit, "judenfrei" zu sein (s. a. das "Borkumlied"). Hotels wie der "Kölner Hof" in Frankfurt am Main nutzten auch diese Art der Werbung. Schnell war ein neues Geschäftsmodell gefunden. (Amrum galt zu dieser Zeit übrigens als die "Judeninsel".)Ausgehend von der NSDAP bzw. der SA nahm vor allem in den Jahren 1931/32 die antisemitische Gesinnung immer mehr zu. Besonders in den ländlichen Regionen kam es sogar teilweise zu Bombenanschlägen gegen Juden. Der Niedergang des Liberalismus erfolgte in den 1930er Jahren. Angehörige der liberalen Parteien, so auch Theodor Heuss, rieten den Juden in dieser Zeit, sich ruhig zu verhalten und die NSDAP nicht als einen ernstzunehmenden Feind anzusehen. Und wie sah es anderswo aus? In Frankreich lebte der Antisemitismus nach der Dreyfus-Affäre vor allem in der Gesellschaft fort. In politischer Hinsicht verschwand er zunächst wieder... bzw. wurde stark marginalisiert. Trotzdem: Gekämpft wurde auch hier vor allem gegen den "jüdischen Bolschewismus" und die Deutschen, als die "Erbfeinde". Ab 1939 entstanden die ersten Internierungslager an der spanischen Grenze, die vor allem deutsche Staatsbürger (als Feindstaatenausländer) und Österreicher "beherbergten". Im Mai 1940, nach dem Sieg der Wehrmacht trieb es viele Flüchtlinge nach Vichy-Frankreich, wo eine stark antisemitische Politik betrieben wurde. Diese richtete sich vor allem gegen staatenlose bzw. nicht-französische Juden. Ab 1942 ging das System der französischen Internierungslager in die Geschehnisse des Holocaust über. In Großbritannien vollzog sich (wie schon beim letzten Mal erwähnt) ein Antisemitismus ohne Juden. Dieser war, vor allem im politischer Hinsicht, sehr schwach. Ab 1914 wanderten viele Juden (vor allem aus Osteuropa) nach Großbritannien (besonders ins Londoner East End) ein. In Einzelfällen kam es zu pogromähnlichen Ausschreitungen. Im Jahre 1930 wurde die faschistische Bewegung, die "BOF" gegründet, die sich vor allem den italiensichen Antisemitismus bzw. Moussoulini zum Vorbild nahm. Die "BOF" hatte anfangs ca. 50.000 Mitglieder. Deren Zahl schrumpfte 1936 auf unter 10.000. In Italien kann von einer "relativen Sicherheit" für die Juden gesprochen werden, was der Grund dafür ist, weswegen viele Deutsche zunächst nach Italien flüchteten. Ab 1943 kam jedoch der Holocaust auch in Italien in Gang. Ein wesentlicher Unterschied zu Deutschland ist, dass der italienische Faschismus durchaus ohne den Holocaust denkbar ist. Der deutsche Nationalsozialismus jedoch nicht. 

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