23. Stück: Deus ex machina-Enden – Ein dramaturgisches Ärgernis

Deus ex machina, der Gott aus der Maschine, war bei den alten Griechen früher ein beliebter dramaturgischer Kniff, um unlösbare Konflikte doch noch aufzulösen. Da kam dann mithilfe einer ausgeklügelten Maschinerie eine Götterfigur vom Himmel, also von der Bühnendecke, herabgeschwebt und sprach ein Machtwort. Dem mussten sich die menschlichen Figuren natürlich fügen und die Sache war erledigt.

Klingt simpel, ist es auch. Zumindest die Stück-Dramaturgie betreffend. Und für den Zuschauer ist das mehr als enttäuschend, es ist überaus ärgerlich, wenn er sich die ganze Zeit gefragt hat, wie die Figuren aus der Geschichte bloß wieder herauskommen und dann schwebt da einfach so ein Typ von der Bühnendecke, sagt „Ihr habt beide recht“ und schwebt wieder weg. (Dass das natürlich von der Bühnentechnik her für die Zeit fantastisch ist, ist eine andere Geschichte).

Ich möchte meinen Standpunkt gerne an einem zeitgenössischen Beispiel aus der Fernsehserien-Landschaft verdeutlichen. Es geht um das vollkommen bescheuerte Ende von „Lost“. Man hatte sich ja die dollsten Erklärungen ausklamüsert, dafür, was es mit der Insel auf sich habe, wie die Zeitsprünge zu erklären seien, was das Ganze mit der Dharma-Initiative zu tun habe, wo die anderen anderen anderen Anderen herkämen, etc. etc. Und wie endet die Geschichte? (Die nachfolgenden Zitate erheben keinen Anspruch auf genauen Wortlaut. Was zählt ist die sinngemäße Wiedergabe)
„Dad? Was machst du denn hier, du bist doch tot?“ – „Jack, die Frage ist, was machst DU hier?“ – „Oh, ich bin auch tot“ – „Ganz genau. Du musst loslassen. Die anderen (!) warten schon auf dich.“ Dann lächeln alle selig, alle sind glücklich und dann wird der Quatsch in gleißendes Licht getaucht und fertig ist die Laube. Das ist also die Erklärung für die sechs Staffeln, die immer wieder neue Fässer aufgemacht und neue Rätsel aufgeworfen haben. Gleißendes Licht. Toll.

So ganz ohne Interpretationsspielraum ist das sicher nicht, denn seither streiten sich die Fans und Ex-Fans im Internet, ob das Ende nun als bescheuert einzuordnen sei oder als genialer Schachzug. Wie bereits dezent angedeutet, erachte ich dieses dämliche Ende als vollkommen idiotisch. Daran ändert auch nicht, dass diejenigen, die das Ende genial fanden, allen Ernstes davon überzeugt sind, der Unfug hätte irgendeine Botschaft und nur sie hätten das begriffen. Die anderen, die sagen, das Ende sei Schwachsinn, seien eben blöd und doof und hätten das nicht verstanden und hätten kein Herz und überhaupt.

Diese Debatte erinnert mich an eines meiner Lieblingsmärchen, „Des Kaisers neue Kleider“. Nur, dass bei „Lost“ mehr als nur ein kleines Mädchen es wagen, darauf hinzuweisen, dass der Kaiser ja nackt sei, bzw. dass das Ende ein dramaturgisches Ärgernis und einfach nur Quatsch sei.

Was hat das aber mit unserem Deus ex machina, dem Gott aus der Maschine, zu tun?

Mit dieser Art von Ende macht ein Stücke- oder Drehbuchschreiber es sich schlicht ZU einfach. Wenn man so ein schwindelerregendes Gerüst an immer neuen Verwicklungen aufbaut, muss man sich sicher sein, dass man am Ende auch irgendwo ankommt. Und nicht einfach so ins Blaue hinein immer fröhlich weiterbauen, das Fundament völlig vergessen und dann am Ende sagen: „Hoppla, wie kommen wir da nur wieder herunter. Hmm, wir sagen einfach Gott war’s! Und damit keiner merkt, dass wir uns verrechnet haben, nennen wir es einfach nicht Gott, sondern wir zeigen gleißendes Licht.“ Super! Das Ganze wird dann noch mit allerlei Herzschmerz, schluchzenden Leuten, verworrenem Auserwählten-Wischiwaschi, ein wenig Küchentischpsychologie, -philosophie und –theologie verwässert und am Ende noch gesagt, dass das so sollte und dass das Absicht war und Schwupps! muss man sich keine Gedanken mehr darüber machen, wie man aus dem Salat wieder herauskommt, in den man sich hineinmanövriert hat. Das erledigen dann irgendwelche gutgläubigen Trottel für einen, die dann behaupten, dass sei eine Metapher für das Leben, da mache auch nicht immer alles einen Sinn und da kämpfe auch permanent das Gute gegen das Böse.

Da ist ja das gute alte „Ätsch, alles nur geträumt!“ oder das etwas gewagtere „Ätsch, ihr wart die ganze Zeit schon tot!“ noch besser. Da versucht man dann wenigstens gar nicht erst zu verschleiern, dass einem einfach nichts Besseres eingefallen ist. Außerdem kann man auf solche Enden ja auch so gut hin arbeiten, dass man noch eine Spur Zweifel lässt, ob das tatsächlich alles nur geträumt war oder ob die wirklich die ganze Zeit schon tot waren. Und das ist dann wieder spannend.

Aber sowas wie bei „Lost“ ist einfach nur Publikumsverarsche.


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