2012 im Rückspiegel

Jetzt ist wieder mal ein Jahr rum und meine zwölf Worte des Jahres sind (in alphabetischer Reihenfolge):

Armut (echte, gefühlte, berichtete, zensierte und politisch gewollte)

Curiosity (Marssonde, herrliches Projekt, teuer und total unwirtschaftlich, aber auf diese Weise tut das Geldverbrennen keinem weh)

Euro (wurde vor zehn Jahren als Zahlungsmittel eingeführt. Ganz ehrlich: Als ich sah, wie schäbig mein Gehalt in Euro aussah, fühlte ich die Krise schon ganz deutlich voraus!)

Familienpolitik (Familie als Fiktion der Politik, entsprechend lebensfern fallen die Maßnahmen auch aus: Ausbau der Kinderbetreuungsplätze, Elterngeld, Herdprämie, Pflege-Teilzeit, alles Rohrkrepierer)

Gewalt (NSU, Johnny K., Newtown, Neu Delhi…)

Glück (dazu komme ich noch)

Hunger (Fast überall auf der Welt im Übermaß vorhanden)

Krieg (dito)

Krise (krieg ich, schon weil ständig über Krisen berichtet wird)

Macht (in der Hand von Menschen, die es nicht gut mit ihren Mitmenschen meinen)

Reichtum (den es zweifellos gibt, aber längst nicht für alle)

Vorteilsnahme (Joachim “Freiheit, Freiheit über alles” Gauck wurde ja doch noch Bundespräsidinges. Gegen seinen Vorgänger, den die CDU bei der Bundespräsidentenwahl davor ja noch um jeden Preis durchsetzen musste (konkret 200.000 Euro pro Jahr, lebenslänglich), ermittelt die Staatsanwaltschaft dann doch gegen Vorteilsnahme im Amt – des Ministerpräsidenten. Die SPD hat natürlich nichts daraus lernt und mit Peer Steinbrück einen Kanzler-Kandidaten ins Rennen schickt, dem die gewohnheitsmäßige Vorteilsnahme schon am Bankkonto anzusehen ist, aber Kanzler müssen zum Glück nur regieren und Deutschland nicht als moralische Instanz repräsentieren. Wobei – Peer will dafür jetzt endlich auch mal “angemessen” bezahlt werden.)

Glück und Glas - wie leicht bricht das.

Glück und Glas – wie leicht bricht das.

Alles in allem also ganz schön negative Bilanz für 2012. Dafür kann ich aber nichts, das bringt diese Zeit so mit sich. Deshalb habe ich mich auf die Suche nach etwas Positivem gemacht, aber leider nichts Brauchbares gefunden. Das scheint aber nicht nur mir so zu gehen, weshalb es ja inzwischen den Wissenschaftszweig der Glücksforschung gibt, in dem sich interessanterweise viele Ökonomen tummeln. Warum? Weil Glück irgendwie mit Ökonomie zu tun hat. Allerdings anders, als die meisten Menschen meinen.

Der französische Wirtschaftswissenschaftler Daniel Cohen sagte in einem Interview mit dem Spiegel, dass die Annahme, dass mehr materieller Wohlstand glücklicher mache, falsch sei. Eine Verdoppelung des Gehalts mache einen eben nicht doppelt so glücklich – eine Zeit lang würde man sich vielleicht über die neuen Dinge freuen, die man sich jetzt leisten könne, aber schnell habe man sich an den Zustand gewöhnt und vergleiche sich wieder mit jenen, die noch mehr hätten. Womit wir wieder bei Peer Steinbrück wären. Vielleicht sollte er sich einfach mal von Professor Cohen erklären lassen, dass er bestimmt nicht glücklicher würde, wenn er die Leute da draußen im Lande mit höheren Gehaltsforderungen für Politiker brüskiert – die verdienen eh schon mehr als für den Glückszugewinn relevant ist. Wenn er Menschen glücklich machen wollte, würde er die Grundsicherung verdoppeln. Oder besser verdreifachen. Denn wer zuwenig zum Leben hat, ist extrem glücklich, wenn es endlich mal wieder genug ist! Kann sein, dass das einem Wirtschaftsprofessor schon mal aus dem Blickfeld gerät: Es macht Menschen nun einmal extrem unglücklich, wenn sie ständig von allem zuwenig haben und das Geld nie für die notwendigen Dinge reicht. Studien belegen, dass Reiche etwa 10 Jahre länger leben als arme Menschen und dass die Lebenserwartung von Geringverdienern dramatisch sinkt. Das ist nicht nur gefühltes Unglück, sondern echtes. Die Leute reden sich doch nicht ein, dass sie ein schwer erträgliches Leben haben, sie haben existenziellen Stress.

Cohen sieht im ständigen Wettbewerb in sämtlichen Lebensbereichen eine Quelle des Unglücks – deshalb fordert er, dass es in der Gesellschaft wieder Bereiche geben sollte, in denen der Wettbewerb keine Rolle spiele, in denen es um Kooperation statt Konkurrenz ginge. Leider sagt er nicht, wie man das in einer Welt wie dieser hinkriegen kann. Es ist ja eine Binsenweisheit, dass es immer Menschen geben wird, die erfolgreicher, schöner, cleverer sind als man selbst und man garantiert sein Leben lang unglücklich bleibt, wenn man sich immer nur daran orientiert, was andere haben.

Gleichzeitig ist es aber unglaublich zynisch, den Leuten zu sagen, dass sie gefälligst mit dem, was ihnen zugemessen wird, glücklich werden sollen. Insbesondere, wenn es nicht für ein halbwegs vernünftiges Leben reicht. Wenn man sich zur Stulle den Belag kaum leisten kann und nicht weiß, wovon man die Stromrechnung bezahlen soll oder neue Schuhe. Das Sich-mit-dem-was-man-hat-bescheiden war schon Jahrhunderte lang ein wohlfeiles Glücksrezept, für das man nun wirklich keine neuen Forschungsprojekte braucht. Früher hat man den Leuten halt gesagt, dass es Gottes Wille und unendlich weiser Ratschluss sei, dass die einen nichts haben und den ganzen Tag arbeiten müssen, während es auch ein paar gibt, die viel haben und den anderen sagen können, wo es lang geht. Wenn es denn Gottes Wille ist, dann gibt man sich besser damit zufrieden und freut sich auf seinen Lohn im Himmelreich.

Heute ist es nicht mehr Gottes Wille, aber ja irgendwie doch auch Schicksal, wenn man halt eine arme Wurst ist, gegen das man sich besser nicht auflehnt, weil das ja zusätzlich unglücklich macht. Lieber arrangiert man sich mit den gegebenen Dingen und redet sich nach Möglichkeit ein, dass man es ja noch ganz gut getroffen hätte. Natürlich ist das bis zu einem gewissen Grad auch vernünftig. Denn es gibt leider auch immer Menschen, die noch ärmer dran sind als man selbst. Insofern ist auch die aktuelle Glücksvorschung in erster Linie ein Glück für diejenigen, die viel haben – denn sie müssen nicht befürchten, dass es ihnen genommen wird. Denn Reichtum macht ja nicht glücklich. Warum halten die Reichen dann aber so sehr daran fest?!



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