Nach dem Zweiten Weltkrieg trat Luzi aus dieser hermetischen Isolation heraus. Er suchte und fand den Anschluss an die Moderne, etwa an T. S. Eliots „Waste Land“. Wichtige Gedichte dieser Zeit bündelte 1960 der Band „Il giusto della vita“. In ihm sucht die Poesie die Gnade, hier zu sein, „im Rechten des Lebens, im Werk der Welt“. Doch die veristische Idylle verdunkelte sich. Die Überschwemmung von Florenz (1966) wurde für Luzi zum Symbol der drohenden Apokalypse. Er projizierte Dantes Inferno auf Rimbauds „Saison à l’Enfer“ (Eine Zeit in der Hölle) – auf die Moderne und ihr Prinzip der Zerstörung. Als Gegenmacht beschwor er jenes verborgene Reich, das „auf unsichtbarem Grund“ errichtet ist.
Mit dem Band „Su fondamenti invisibili“ von 1971 setzt die Auswahl ein, die Guido Schmidlin für die Edition Akzente übersetzt hat. „Auf unsichtbarem Grunde“ reicht mit etwa hundert Gedichten in Luzis Spätwerk. Schmidlin war lange mit Luzi befreundet, und so ist dieser Band ein Vermächtnis beider. Mario Luzi war kein Heiliger, sondern ein weltzugewandter Dichter. Doch seine Absage an Gewalt, an Konvention und Mode war absolut. Er hasste die Gewalttätigkeit des modernen Staates und der modernen Zivilisation und hielt den Markt für etwas, das alles zu nichts entwertet. Er spottete in den Sechzigern über die kaugummikauenden Genossen, die ihn vor die Alternative „rette Dich“ oder „gehe unter“ stellen wollten. Er setzte auf den fundamentalen Schriftsteller, „der vielleicht das ganze Leben darauf verwendet, ein Buch zu schreiben“. Luzi war selbst solch ein Autor, ein Poet im Sinne Mallarmés. / Harald Hartung, FAZ 2.11.
(dort auch eine Rezension von Nico Bleutge)
Mario Luzi: „Auf unsichtbarem Grunde“. Gedichte.
Italienisch/Deutsch. Auswahl, Übersetzung und Nachwort von Guido Schmidlin. Hanser Verlag, München 2010. 328 S., geb., 19,10 [Euro].