20. Dezember 2010, Emanzipation, 6.02 Uhr

„Immer diese sexuelle Gewalt gegen Frauen. Ich kann das nicht mehr sehen. Es müsste einmal umgekehrt sein.“
„Was meinst du damit?“
„Na, was soll ich schon damit meinen, blöde Kuh!“
„Red nicht so mit mir.“
„Ich rede halt so!“
„Du bist so …“
„Na, wie bin ich denn …?“
„Aggressiv!“
„Darum geht es mir doch. Es geht um Gleichberechtigung. Ich will, dass wir Frauen endlich zurück schlagen.“
„Aber dann sind wir nicht besser.“
„Darum geht es nicht. Ich will einen Film sehen, in dem eine Frau einen Mann vergewaltigt.“
„Warum willst du so etwas denn sehen?“
„Schau nicht so erschrocken, blöde Kuh. Ich will es sehen, weil ich mich nicht unter die Faust eines Mannes begeben will, nirgends, und halt auch nicht in so einem dämlichen Film.“
„Die zeigen das, weil diese Gewalt dort draußen herrscht.“
„Quatsch, du bist wirklich selten dämlich. Die zeigen das, weil sie Spaß daran haben, weil sie uns vorführen, hey, wir haben die Macht, sieh nur genau hin, das kann dir jederzeit widerfahren.“
„Und deshalb willst du …?“
„Und deshalb will ich endlich die verfluchte Waffe in der Hand halten, ich will über so einem Bastard stehen, ihm den Lauf auf die Stirn drücken, ich will ihn wimmern und betteln hören. Nein, nein, bitte tu das nicht! Das will ich hören. Und wenn ich das gehört habe, dann hat sich in der Welt etwas verändert.“
„Und was hat sich dann verändert? Alle gehen auf alle los. Alle werden zu Raubtieren.“
„Das Opfer ist kein Opfer mehr. Das hätte sich geändert. Die Sprachlosen hätten endlich zur Sprache gefunden.“
„Eine Sprache der Gewalt.“
„Die einzig universelle Sprache wahrscheinlich. Die Männer führen uns das doch seit Anbeginn der Menschheit vor. Es wird Zeit, dass wir Frauen endlich zurück schlagen. Und der vollendete Emanzipationsakt wäre natürlich die Vergewaltigung eines Mannes.“
„Was nicht so einfach sein dürfte.“
„Die können sich doch nie beherrschen. Wahrscheinlich macht die so etwas noch an.“
„Du erschreckst mich.“
„Darum geht es.“
„Um den Schrecken?“
„Es geht um Widerstand. Und jetzt lass mich durch.“
„Du bleibst hier!“
„Fick dich doch ins Knie, dumme Kuh.“
„BLEIB HIER!“
„Du solltest vorsichtiger sein. Sonst wachst du eines Morgens nicht mehr auf …“
„Du drohst mir? Meine eigene Tochter?“
„Ich bin eine gleichberechtigte Frau auf dem Weg nach draußen. Mehr nicht. Ich spreche nur wie Vater. Du müsstest diese Art doch gewöhnt sein.“
„Du bist gemein.“
„Eher auf dem Weg nach draußen.“
„Dann geh, dann geh halt …“



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