2. Die Empfindlichkeiten der Sprachen

Einmal auf einer Tagfahrt von Malang nach Surabaya fuhr dem Dichterbus, der eigens mit dem Logo des Festivals lackiert worden war, für die gesamte zweistündige Strecke ein Polizeiwagen mit Blaulicht und Sirene voraus.

Immer wenn er in Berlin eine Polizeisirene höre, schrieb Chirikure Chirikure, müsse er nun an Dichtung denken – und wirklich: wir fühlten uns seltsam, so wichtig und Teil einer etwas surrealen Blase, eine zusammengewürfelte, aber doch durch die Reise und die Arbeit  verbundene temporäre Community. Der Weg des Busses zwischen den Spuren, die laute Sirene voran, machte, so erging es zumindest mir, etwas fühlbar und sichtbar von dem seltsamen Status „Dichterin“ in dieser Welt. …

Unsere Gedichte waren im Vorfeld in Bahasa Indonesia, die Nationalsprache Indonesiens, übersetzt worden. Wir sollten die Originale lesen, die Übersetzungen wurden projiziert. Doch je länger wir fuhren, umso eher trug jeder auch wenigstens eines seiner Gedichte auf  Englisch vor – damit die anderen Dichter es verstünden. Die Konvergenz der zahlreichen Sprachen ins Englische machte schlagartig etwas deutlich, das im Umgang mit Einzelübersetzungen oder Übersetzungen von mehreren Autoren aus nur einer Sprache versteckt bleibt: in den englischen Übersetzungen funktionierten tatsächlich eben jene Gedichte am besten, die der angloamerikanischen Gedichttradition nicht zu fern blieben. Also z.b. ein (gern raffiniertes, fragmentarisches) narratives Element enthielten.Jeder Dichter weiß, welch intrikates (ja: intricate) „Geschäft“ das Übersetzen und Übersetztwerden ist. Hier aber zeigte sich darüber hinaus: weder harmlos noch „neutral“ ist die zunehmende Notwendigkeit, übersetzt zu werden – und im englischen Gewand zu erscheinen.

Zwei Fragen begleiten mich seither. Ich kann sie nicht beantworten, nur stellen:

Welche Rolle spielt es für das eigene Schreiben, dass wir (wenn wir)  poetologische Diskurse auf Englisch führen? Der befruchtende und das Gehirn durchmischende Austausch mit anderen Dichtern von Vielfachher findet ja nicht in einer neutralen Sprache statt, sondern in einer aus der angloamerikanischen Poesie heraus entwickelten poetologischen Sprache mitsamt ihren Wertungen und Kriterien. Da ist narrative nicht gleich „Erzählung“, character nicht Charakter, sondern Figur oder Buchstabe, rhyme nicht Reim, nicht in dieser Bedeutung. Stark unterscheiden sich auch die Möglichkeiten von Sprachspiel, Sprachspieltradition; die Empfindlichkeiten der Sprachen (welche Verstöße genießen sie, welche „gehen gar nicht“). / Ulrike Draesner, fixpoetry



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