18. Dezember 2010, Lieber Doktor Weber, 7.56 Uhr

Lieber Doktor Weber,

ich danke Ihnen für Ihren Brief, den ich erst gar nicht meiner Frau zeigte, neigt das gute Stück (ich hoffe, Sie verzeihen mir den flapsigen Ton) doch zu einer grundsätzlichen (wenn natürlich auch eingebildeten) Traurigkeit, die sich in Form einer klagend geäußerten Wehleidigkeit zum Ausdruck bringt; ein Leiden, ich muss dies eingestehen, dessen sich mein Sohn bereits in frühster Kindheit wie ein geübter Imitator annahm, um sich auf diese von seiner Mutter erlernten Art, wie ich immer wieder mit kriminalistischem Spürsinn vermuten musste, einige freie Tage zu verschaffen, die er meist in seinem Bett zu überstehen gedachte.
Schläge halfen hier dem Verstand auf die eingeschlafenen Beine, und auch, wenn ich kein Anhänger der Prügelstrafe bin, lieber Doktor Weber, so werden sie mir bestimmt mehr als recht geben, wenn ich behaupte, einige dosierte körperliche Erziehungsmaßnahmen haben noch keinem heranwachsenden Körper geschadet.
Die von Ihnen geschilderten Übergriffe durch den Lehrer R. lassen mich natürlich nicht kalt, aber man sollte die Angelegenheit diskret zur Seite packen, würde eine Veröffentlichung derselben doch nur Ihrer Schule wie auch meinem Sohn schaden. Solche sexuellen Extravaganzen kommen wahrscheinlich immer wieder vor; sie werden nicht zu verhindern sein, zumal auf einem reinen Jungeninternat.
Ich betrachte es als meine Pflicht, Sie darauf hinzuweisen, dass Sie über all das schweigen sollten, denn es kann weder in Ihrem noch in meinem Interesse sein, wenn ich meinen Freund, den Parlamentarischen Staatssekretär Huber, in diesen so unschönen Vorfall einbinden müsste.
Die von Lehrer R. praktizierten Techniken, die Ihnen mein Sohn so überaus lebensnah beschrieb, sollten als „Zwischenfall“ abgelegt werden.
Selbstverständlich werde ich mit meinem Sohn über all das reden, mehr oder weniger. Ich werde ihn als Glückspilz preisen, der nun um eine Erfahrung reicher ist. Ich verstehe mich auf Verkaufsgespräche.
Ich selbst kenne keinen, sie erlauben mir, wenn ich das so salopp ausdrücke, Schwulen, denn noch hat sich diese Krankheit nicht bis in die Reihen unseres ach so herrlichen Dorfes vorarbeiten können. Durch den (sicherlich) sündigen Akt des Lehrer R. erbitte ich mir indes die Stärkung des moralischen Immunsystems meines Sohnes, der, wie ich hoffe, fortan gewappnet sein wird gegen diese Form des widernatürlichen Verkehrs. Ja, vielleicht sollte man das Geschehene gar als Glücksfall ansehen.
Ich erwarte Ihre Unterstützung, lieber Doktor Weber. Weisen Sie Lehrer R. auf sein Fehlverhalten hin, denn er ist für die geistigen Bedürfnisse zuständig, nicht aber für die Triebe des pubertären Knabenkörpers. Wir alle erleben so etwas. Auch ich hätte da die eine oder andere Geschichte anzudienen, will aber nun meinen Brief enden lassen, geht doch in wenigen Stunden mein Flieger in Richtung Paris. Ich bin ein beschäftigter Mann, der gerne die Unsummen aufbrachte, die im Rachen ihres ehrwürdigen Schulhauses so spurlos verschwinden. Ich stellte bisher keine Fragen, was denn eigentlich mit den Geldern geschah, und ich will es auch bei dieser Praxis des gegenseitigen Schweigens belassen.

Hochachtungsvoll

Ein besorgter Vater



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