15. Herbheit und Rausch

Unverkennbar ermöglicht ihm die positiv zu sehende Schamlosigkeit eine produktiv verwirrende Tiefe. Dissonanzen großer Herbheit schneiden um so schärfer ins Ohr, als Seiler sich sonst in einen Rausch der Assonanzen, Alliterationen, Wort- und Zeilenwiederholungen hineinzuschreiben versteht. Manche Verse scheinen melancholische Wanderlieder zu sein, gerade recht für die Reise, ob mit dem Fahrrad, im Zug oder zu Fuß. Geradezu greifbar ist Gehen, Schreiten, Fahren, das Seiler oft mit seiner Autorenarbeit verbindet. „Ich schreib nicht mit der Hand allein“, heißt es bei Nietzsche, „der Fuß will stets mit Schreiber sein. Fest, frei und tapfer läuft er mir bald durch das Feld, bald durchs Papier.“ Als Wanderschreiber und Dichtergeher gleicht Seiler einem guten Reisekameraden, dem man auf der Leselebensreise gern folgen kann, zumal er den Tod kennt, aber in seinen Versen nicht über die Maßen fürchtet; selbst wenn er ihn im Treppenhaus überfällt.

Schön, wie leichthändig Seiler die Tradition einwebt, keck, auch kritisch, Hofmannsthal und George zuzwinkert, antike Elegie-Töne verwendet. Das Fußball-Epos „Die Fussinauten“ zeigt seine Freude am dramatischen Erzählen, das balladengeschult ist, wie „geruch der gedichte“ unterstreicht. / Rolf-Bernhard Essig, FR 3.12.

im felderlatein.
Von Lutz Seiler. Suhrkamp, Berlin. 100 S., 14,90 Euro.

 



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