131. Tuvia Rübner erhält den Literaturpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung 2012

Der israelische Lyriker Tuvia Rübner (88) erhält den Literaturpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung. Die Stiftung schreibt:

Tuvia Rübner, der sich in seinem Gedicht „Wer hält diese Eile aus“ (2007) als „ein Kind des zwanzigsten Jahrhunderts“ bezeichnet, wurde am 30. Januar 1924 in Pressburg (Bratislava) in eine deutschsprachige bürgerliche Familie „des gehobenen Mittelstands“ hineingeboren; den hebräischen Namen seines Großvaters erhielt er zu seinen beiden deutschen Namen Kurt Erich hinzu. Sein 1885 in Losoncz geborener Vater Moritz Manfred Rübner war administrativer Leiter der Pressburger Filiale einer internationalen Speditionsgesellschaft und wurde auf „sein eigenes Verlangen“ entlassen, als die Gesellschaft in den Besitz der Deutschen Reichsbahn übernommen worden war. Seine Mutter Alica Grünwald (geb. 1899) stammt aus dem nordwestslowakischen Šaštín.

Nachdem die jüdischen Schüler in Pressburg das Deutsche Staatsrealgymnasium und das slowakische Gymnasium nicht mehr besuchen durften, fand Tuvia Rübner Anstellung in einem Betrieb, in dem sich junge Juden auf die Auswanderung vorbereiteten. Mit einer kleinen Gruppe von Freunden aus dem zionistischen Jugendbund „Haschomer Hatzair“ gelangte er im Mai 1941 aus der Slowakei über Budapest in das damalige Palästina, in den Kibbuz „Merchavia“ (der Name bedeutet, nach einem Psalm, „Gottes Weite“). Dieser 1911 nach dem Plan des deutschjüdischen Soziologen Oppenheim als Genossenschaftssiedlung gegründete Kibbuz war der erste Kibbuz im Emek Jezreel. Hier blieb und arbeitete Rübner 12 Jahre, zunächst als Schafhirte. …

Aus dem Kibbuz korrespondierte Tuvia Rübner mit seinen Eltern im „Feindesland Slowakei“ über den Postverkehr des Roten Kreuzes, der beschränkt war auf einen Brief alle zwei Monate mit jeweils 25 Wörtern und nur persönlichen Nachrichten. Am 12. Juni 1942 wurden Tuvia Rübners Eltern und seine damals dreizehnjährige Schwester Alice nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Die letzte Nachricht von ihnen war ein über das internationale Rote Kreuz aufgegebenes Telegramm vom Juli 1942: „sind ausgesiedelt nach Generalgouvernement ehemaliges Polen. Neues Domizil erfahret durch Jüdische Soziale Selbsthilfe Krakau, Postfach Nr. 211“. (zit. in Ulrike Kolb: Dichten müssen. Zum 80. Geburtstag des israelischen Lyrikers, Übersetzers, Literaturwissenschaftlers und Fotografen Tuvia Rübner. In: Frankfurter Rundschau, 30.1.2004).

Im Kibbuz wurde Rübner mit dem Neuhebräischen vertraut, seiner zweiten Muttersprache. Hier lernte er den aus der Bukowina stammenden Dichter Dan Pagis (1930-1986) kennen, den er später aus dem Hebräischen ins Deutsche übersetzte. Auf dem Rückweg von Tel Aviv in den Kibbuz ereignete sich im Februar 1950 ein schweres Busunglück, bei dem Rübners Frau, die er 1944 geheiratet hatte, starb; er selbst überlebte, schwerverletzt, mit seiner 1949 geborenen Tochter.

Im Kibbuz wurde Rübner Bibliothekar und Literaturlehrer an einer Mittelschule. Später arbeitete er als Professor für hebräische und deutsche Literatur an der Universität Haifa. 1953 heiratete er die Konzertpianistin Galila Jisreeli, deren Eltern aus russisch-jüdischen Familien stammen. Aus dieser Ehe sind zwei Söhne hervorgegangen, einer ist 1983 in Ecuador verschollen, der andere wurde Buddhist und lebt in Nepal. Von 1963 bis 1967 war Rübner Abgesandter der Jewish Agency in Zürich. …

Bis 1954 schrieb Rübner deutsche Gedichte: „Ich schrieb in einer Sprache, die ich kaum mehr sprach. Sie war mein Zuhause. In ihr ,sprach’ ich weiter mit meinen Eltern, mit meiner Schwester, mit den Großeltern, den Verwandten, Freunden der Jugend, die alle kein Grab besitzen. Dann wollte ich nicht mehr in meinem, wie ich meinte, eigentlichen Leben, in den Gedichten, in der Vergangenheit sein, auch wenn sie unvergangen war. Nicht um sie zu bewältigen […], sondern mit ihr: zu leben [...]. Hebräisch ist nicht selbstverständlich für mich.“ Dann wechselte er ins (Neu)Hebräische, eine „erlernte Sprache“, in der bis 1990 acht Gedichtbände erschienen. 1990 kam im Piper Verlag eine Auswahl von Rübners Gedichten in deutscher Übersetzung von Efrat Gal-Ed und Christoph Meckel heraus, unter dem Titel „Wüstenginster“. Sechs deutschsprachige Gedichtbände von Tuvia Rübner hat seit 1990 der Aachener Rimbaud Verlag publiziert.

Rübners Bücher gelten als „großes Werk der hebräischen Moderne“ (so Karin Lorenz-Lindemann in der Zürcher Zeitschrift „Orientierung“, 15.11.2008). Sein lyrisches Werk gehört zum Bestand der klassischen Exilmoderne. Kennzeichnend für seine Gedichte sind traditionelle Formen wie die Ode, Paraphrasen, paradoxe Gleichnisse und Kontrafakturen.

Die Jury des Literaturpreises bilden

  • Prof. Dr. Birgit Lermen - Universität zu Köln (Vorsitzende)
  • Prof. Dr. Gerhard Lauer - Universität Göttingen
  • Christine Lieberknecht MdL - Ministerpräsidentin des Freistaates Thüringen
  • Felicitas von LovenbergLeiterin Literatur, Frankfurter Allgemeine Zeitung
  • Ijoma Mangold - Die Zeit

(Nicht viele Literaturpreise sind so auskunftsfreudig!)

Die Auszeichnung ist mit 15.000 Euro dotiert und wird jährlich in Weimar vergeben. Bisherige Preisträger waren

  • Arno Geiger (2011)
  • Cees Nooteboom (2010)
  • Uwe Tellkamp (2009)
  • Ralf Rothmann (2008)
  • Petra Morsbach (2007)
  • Daniel Kehlmann (2006)
  • Wulf Kirsten (2005)
  • Herta Müller (2004)
  • Patrick Roth (2003)
  • Adam Zagajewski (2002)
  • Norbert Gstrein (2001)
  • Louis Begley (2000)
  • Burkhard Spinnen (1999)
  • Hartmut Lange (1998)
  • Thomas Hürlimann (1997)
  • Günter de Bruyn (1996)
  • Hilde Domin (1995)
  • Walter Kempowski (1994)
  • Sarah Kirsch (1993)


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