Die Energiewende muss auch im Wärmebereich ankommen. Hier stammt gerade mal 14 Prozent der Energie aus erneuerbaren Energien. Viel Bewegung ist noch nicht zu sehen in diesem Bereich. Von der Industrie kommt zu wenig, sie wollen die gleichen Produkte verkaufen wie bisher - nur in größerer Stückzahl. Dann müssen eben von außen die notwendigen Innovationen kommen, die den Markt wachrütteln, disruptieren und in Bewegung versetzen. Lange schien der Wärmemarkt davor gefeit zu sein. Es waren keine Innovationen zu sehen, die so attraktiv sind, dass sie den Markt komplett verändern können. Aber ich glaube das ändert sich jetzt. Denn ich habe einige interessante Konzepte und Angebote gesehen, die hauptsächlich auf Sektorenkopplung beruhen. Vielleicht werde ich ein paar davon auf der Fachmesse ISH vom 11. bis 15. März in Frankfurt sehen.
Ohne Wärmewende gibt es keine Energiewende
Die Energiewende konzentriert sich bislang vor allem auf den Stromsektor. Inzwischen ist die Mobilität auch ein häufiger diskutiertes Thema. Nur der Bereich Wärme und Kälte scheint sich mit Energieeffizienz ein Duell zu liefern um das unattraktivste Thema der Energiewende.
Wenn ich jetzt schreibe, dass private Haushalte zwei Drittel ihres Energieverbrauchs für die Heizung und Warmwasserbereitung benötigen, dann ändere ich vermutlich nichts an der Einstellung zum Thema Wärme oder zur Wärmewende. Auch nicht mit dem Hinweis, dass Erdgas und Mineralöl die mit Abstand bedeutendsten Energieträger in diesem Bereich sind. Dies zeigt uns aber, dass wir aktiv werden müssen, aus Gründen des Klimaschutzes.
Die bisherigen Mittel und Produkte reichen nicht aus für große Fortschritte. Dazu waren die Fortschritte in den vergangenen Jahren zu gering. Ich bin mittlerweile davon überzeugt, dass wir neue attraktive Angebote auf dem Markt benötigen um in diesem Bereich einen deutlichen Beitrag zum Klimaschutz leisten zu können.
Innovative Produkte für mehr Klimaschutz im Wärmesektor
In den letzten Wochen habe ich einige interessante Beispiele gesammelt. Ob sie den Wärmemarkt verändern können und skalierbar sind, weiß ich jetzt noch nicht. Aber ich glaube, dass sie alle ein Stück zur Veränderung beitragen können. Manche davon sind konkrete Produkte und andere eine Idee oder ein Konzept. Beginnen wir mit den Produkten.
BOOSTHEAT, die effizienteste Heizung
Wenn man Gas weiter nutzt, dann aber bitte noch effizienter als eine Brennwertheizung. Mit der gasbetriebenen Wärmepumpe von Boostheat soll man den Gasverbrauch um zwei Drittel reduzieren können. Sie soll zweimal so effizient sein wie eine neue Brennwert-Heizung. Aufgebaut ist diese Heizung als eine Mischung aus einem Brennwertkessel und einer Wärmepumpe mit einem patentierten Thermokompressor. Das bedeutet konkret, dass man hier die Umgebungswärme (Luft, Wasser oder Boden) nutzt um eine bessere Ausnutzung des Brennstoffs zu erreichen. Oder anders herum ausgedrückt,man nutzt die Energie aus der Verbrennung des Gases um den Wärmepumpenkreislauf zu aktivieren. Zusätzlich kann man noch die Latentwärme zurück gewinnen aus dem Abgas durch Kondensation, wie bei herkömmlichen Brennwertkesseln.
Home Power Solutions, ein Symbol für die Sektorenkopplung
Ein schönes Beispiel wie die einzelnen Bereiche der Energieversorgung zusammen wachsen bietet die HPS Home Power Solutions GmbH. Im letzten Beitrag hatte ich den Gewinner des Wiwin Award im Zusammenhang mit der Messe Energy Storage vorgestellt. Das Angebot von HPS mit dem System Picea vereint Energiespeicher, Heizungsunterstützung und Lüftungsgerät in einem, passt also wieder zum Thema Wärme.
Die Energiezentrale von HPS speichert den Strom aus der PV-Anlage zunächst in einer chemischen Batterie. Den überschüssigen Strom wandelt die Anlage mit der Hilfe eines Elektrolyseurs zu Wasserstoff. Diesen kann sie saisonal speichern und bei Bedarf wieder abrufen. Dabei anfallende Abwärme sammelt das System im Warmwasserspeicher. Eine Brennstoffzelle erzeugt aus dem gespeicherten Wasserstoff bei Bedarf Wärme. Zusätzlich ist in der Energiezentrale noch ein Lüftungssystem enthalten.
my PV: Photovoltaik ist die Lösung
Die Idee der my-PV GmbH aus Österreich Warmwasser und Heizung mit Strom aus der Photovoltaik-Anlage vom Dach bereit zu stellen klingt sehr verwegen. Schließlich ist eine Wärmepumpe doch effizienter. Aber eine direkte Nutzung des überschüssigen Stroms für die Warmwasser und Heizung ist kostengünstiger, einfacher in der Installation und reduziert die Verteilverluste innerhalb des Hauses. Eine direkte Nutzung erfolgt über einen Heizstab im Warmwasserspeicher oder für die Heizung mit Heizmatten, einer Infrarotheizung oder über den alten Nachtspeicherofen. Diese Art der Nutzung des überschüssigen Solarstroms funktioniert nicht nur im Einfamilienhaus, in Wien hat die my-PV GmbH jetzt auch ein Mehrfamilienhaus damit ausgerüstet. Dort wird der komplette Strom aus der 47 kWp-Anlage vor Ort genutzt. Spätestens wenn es keine Einspeisevergütung mehr gibt für Solarstrom oder nur geringe Beträge, dann wird es attraktiver den Strom komplett vor Ort zu verbrauchen.
eTank, der saisonale Wärmespeicher im Boden
Den saisonalen Wärmespeicher eTank kenne ich schon lange, habe ihn auch schon ein paar mal vorgestellt. Da war zum Beispiel der Beitrag mit vier unterschiedlichen Speichertechnologien, der Artikel über die am schnellsten wachsenden Startups 2016 und meine Vorstellung vom degewo-Zukunftshaus. Der Wärmespeicher puffert die Wärme aus der thermischen Solaranlage bei relativ geringen Temperaturen, so dass keine teure Isolierung notwendig ist. Stattdessen kann die Umgebungswärme aus dem Erdreich mitgenutzt werden, eine Wärmepumpe macht die Wärme aus dem Speicher in der Heizperiode nutzbar.
Ringgrabenkollektor, macht die Sole-Wärmepumpe attraktiver
Das Konzept des Ringgrabenkollektors sieht sehr ähnlich aus. Es ist aber vielmehr eine Variante um die Vorteile der Sole-Wärmepumpe auch bei kleinen Flächen oder ohne teure Tiefenbohrung nutzen zu können. Dabei verlegt man die Solerohre in Schlaufen in einem Graben durch den Garten. Im Vergleich zum Flächenkollektor kann man mehr Erdreich erschließen und längere Rohre verlegen. Planungstools, Hilfen zur Auslegung und Support gibt es online.
Solar-Hybrid-Konzentrator TOBECK
Ein ganz neues Konzept zur Nutzung der Sonnenenergie ist der Solar-Hybrid Konzentrator TOBECK. Dieser soll die Vorteile der thermischen und photovoltaischen Solarenergienutzung in einem Produkt kombinieren. Aber anders als bei klassischen Hybridkollektoren werden die Sonnenstrahlen in einer Vakuumröhre auf einen Absorber konzentriert und dabei in Wärmeenergie und elektrische Energie umgewandelt. Dadurch kann man auch den diffusen Anteil der Sonnenstrahlung nutzen und der Wirkungsgrad erhöht sich auf 60 Prozent. In der Praxis kann man den Solar-Hybrid Konzentrator einsetzen für die Versorgung von Haushalten mit Wärme- und elektrischer Energie, aber auch für die Bereitstellung von Prozesswärme und -kälte im industriellen Bereich.
Hochtemperatur-Stahlspeicher Lumenion
Lumenion macht mit seinen Hochtemperaturspeichern erneuerbare Energien für den Wärmemarkt nutzbar. Diese Speicher sind praktische Sektorenkopplung, die dafür sorgt, dass man Anlagen für die Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien nicht abregeln muss, wenn das Netz ausgelastet ist. Die Wärme lässt sich einsetzen für Nah- und Fernwärme oder für die Prozesswärme in der Industrie. Dieser Speicher ist modular aufgebaut und besteht aus Stahl-Blöcken, die den Strom aus dem Netz dezentral als Hochtemperatur-Wärme bei 650°C speichern. Die gespeicherte thermische Energie kann man entweder direkt als Wärme oder mit Hilfe einer Wasserdampfturbine wieder als Strom nutzen.
Power-to-Gas dezentral in einer Wohnanlage
Wie schon bei einigen anderen Projekten, bietet die Exytron Smart Energy Technology die Nutzung des nicht benötigten Stroms aus der lokalen PV-Anlage. Diese Anlage erzeugt regeneratives Erdgas/ Methan aus dem Strom der Anlage vom Dach oder von Strom aus dem Netz. Das Gas kann man lokal speichern in einem Tank oder in das Erdgasnetz einspeisen. Die Besonderheit ist, dass das bei der Verbrennung entstehende CO2 aufgefangen und für die Methanisierung eingesetzt wird. In Augsburg ist diese Technologie zum ersten Mal in einer Wohnanlage im Bestand zum Einsatz gekommen.
Thermische Batteriespeicher EnergyNest
Die thermische Batterie von EnergyNest aus Norwegen ist modular aufgebaut und damit skalierbar. Sie wird hergestellt aus reichlich vorhandenen Materialien, die auch recycelbar sind: Stahl und Beton. Wärme mit einer hohen Temperatur wird über einen flüssigen Wärmeträger auf die thermische Batterie übertragen. Die Batterie-Module sind z.B. in einem Container untergebracht. Sie können die Wärmeenergie z.B. aus dem Stromnetz oder von lokalen Anlagen mit erneuerbaren Energien aufnehmen und an z.B. ein Wärmenetz abgeben.
UniQ Wärme-Batterien
Die UniQ Wärme-Batterien von Sumamp aus Schottland sind kompakte Wärmespeicher. Sie sind leicht zu montieren, haben einen geringen Wartungsaufwand und eine Lebenserwartung von 40.000 Zyklen. Die Wärmebatterien lassen sich skalieren und können auch größere Wärmemengen aufnehmen und sie können auch das Stromnetz, bei Bedarf entlasten.
Innovative Projekte für mehr Klimaschutz im Wärmesektor
Es muss nicht immer ein neues Produkt sein, das für mehr Klimaschutz im Wärmesektor sorgen kann. Da gibt es auch eine Reihe von Konzepten und Projekten, die mit bestehenden Produkten arbeiten.
Suburbane Wärmewende
Das Forschungsprojekt Suburbane Wärmewende untersucht „inwieweit es in Ballungsräumen technisch und ökonomisch machbar ist, Wärmeenergie aus nachhaltigen Quellen wie Abwasser, Brunnenwasser oder Bioreststoffe auf neuartige Weise in einem „Innovationswärmeleiter" zu übertragen" (Quelle: iöw). Als Beispiel dient das Bestandsquartier Leeste südlich der Stadt Bremen. Man kann es sich vorstellen wie die Entwicklung eines Wärmenetzes, das überschüssige Energie aufnimmt, vergleichbar zum Stromnetz, wo andere Abnehmer sich wiederum bedienen können. Der Weser-Kurier beschreibt das Projekt anschaulicher als die Forscher.
Seen als lokale Wärmequellen nutzen
Man muss für die Nutzung der Umgebungswärme nicht bis an das Grundwasser bohren. Es bieten sich dazu auch umliegende Seen als Wärmequelle an. Dazu verlegt man z.B. am Boden des Sees Rohre, die mit einem Wärmeträger durchströmt werden. Die Wärme hat über das Jahr, je nach Tiefe der Rohre, relativ konstante Temperaturen, die gut geeignet sind für ein kaltes Nahwärmenetz und für Wärmepumpen an den Abnahmestellen. Bis jetzt scheint dieses Konzept nur eine Idee zu sein, die man im badischen Malsch und im Raum Leipzig mit dem Leipziger Seenland nutzen möchte.
H-DisNet: Intelligentes hybrides Thermo-Chemisches Wärmenetz
Das H-DisNet-Projekt trägt zur nächsten Generation von Fernwärmenetzen bei, die die innovative thermochemische (TC) Netzwerktechnologie entwickelt. Die Technologie nutzt das hohe chemische Potenzial von Absorptionsprozessen für den verlustfreien Transport und die Speicherung des Energiepotenzials. Sie wird eingesetzt, um ein intelligentes Stadtteilnetz mit Wärme-, Strom- und Gasnetzen zu bilden. Dieses Netz kann Wärme mit verschiedenen Temperaturen transportieren, hat keine Wärmeverluste und kann Abwärme, sowie Wärmequellen mit geringen Temperaturen nutzen.
Innovative Technologien für mehr Klimaschutz im Wärmesektor sind vorhanden
Es gibt so viele innovative Produkte, Konzepte und Technologien um die Emissionen im Wärmesektor deutlich zu reduzieren, damit wir auch in diesem Bereich von einer Energiewende reden können. Das reicht aber alleine nicht aus, sie müssen so attraktiv sein, dass sie angenommen werden und sich durchsetzen gegen bestehende Produkte. Welches der vorgestellten Produkte und Technologien sich durchsetzt kann ich noch nicht sagen. Aber ich glaube, dass gerade die Angebote spannend sind und die Möglichkeit haben sich durchzusetzen, die auf eine dezentrale Sektorenkopplung setzen. Das sind die Produkte, die den vor Ort erzeugten Solar- und Windstrom auch für Wärmeanwendungen nutzbar machen.