“Entschuldigung.”
Ich streifte einen alten Mann, der etwas murmelte, das ich nicht verstand. Ich blieb stehen und sah ihm nach. Regentropfen zerplatzen auf den Straßen.
Da war ich also. Stand vor dem Gebäude der Fuldaer Zeitung, eine letzte Zigarette zwischen den Fingern.
Der Journalist käme später, sagte man mir, er sei noch außer Haus.
Also setzte ich mich, versank in Kissen, die wie gemacht schienen, um in ihnen jeden Halt zu verlieren. Tiefer und tiefer sank ich, Sekunden nur noch und ich wäre gänzlich verschwunden, verspeist von einem fleischfressenden Sofa, einem blauhäutigen, das aber doch erleichtert aufatmete, als ich endlich aufsprang, strampelnd und mich befreiend, und nach einer Zeitschrift wie nach einer Rettungsboje griff. Ich blickte mich unsicher um, wollte mich nicht noch einmal der Gefahr aussetzen, Opfer eines gierigen Vorraumsofas zu werden, dessen Verdauungstrakt längst auf das Sitzfleisch hessischer Krimiautoren eingestellt war.
Stand da, wippte mit den Füßen, den Blick zum Sofa gleitend, das sich unschuldig wie ein Walfisch gab, der an Land gespült worden war und nun allmählich verkümmerte.
Ich gab mich gelassen, blätterte mich durch diverse Artikel, die vorgaben, die neusten Kriminalromane zu besprechen und dabei nur Werbeanzeigen der Verlage waren. Und ja, natürlich, alle waren sie vertreten, nur mein Buch fehlte. Ich hätte heulen können, war versucht, das Magazin entrüstet mit einer Prise Ekel auf den Boden zu werfen, aufschreiend, man möge solch widerliche Elaborate hier nicht länger den Wartenden kredenzen, die, würden sie nicht vom Sofa verschlungen, an Hirnauflösung verrecken würden. Noch eine Seite wagte ich und da waren sie, als hätten sie mich bereits erwartet: Thomas Thams und Andreas Frohmann, die mich anlächelten, und, ich bin mir gewiss, solches gesehen zu haben, mir die Zunge rausstreckten.
“Lieber Herr Rohm, ich habe mich verspätet. Tut mir leid.”
Ich schreckte aus meinen schrecklichen Gedanken auf und blickte in das pausbäckige Jungengesicht des Journalisten, der mich in einen der hinteren Räume lotste. (Büros scheint es dort nicht zu geben, dafür Konferenzraum an Konferenzraum; Gänge die nicht enden, die vollgestopft sind mit Telefonen, die niemand benutzt und die niemals läuten.)
Da saßen wir also, der Journalist und ich.
“Möchten Sie etwas trinken?”
“Nein.”
Wir sprachen. Ich, der nichts reden wollte, der sich sicher war, Bücher sollten vom Autor nicht mit einer Wortflut überdeckt werden, die Land und Leute, Maus und Mörder jämmerlich absaufen ließen, redete mir die Zunge blutig. Jede Geschichte fand einen Satz, einen Satzfetzen, in den ich sie wickelte, verwickelte.
“Oktober. Nun, das ist … Es ist die Geschichte einer Depression, meiner Depression, das bin nicht ich, das bin ich, nicht wirklich, das beschreibt … Nichts kann diesen Mörder berühren, nicht einmal die Momente extremster Gewalt befreien ihn aus seiner Lethargie … Im Schloss … Das kann niemand wissen, aber die Geschichte, die schrieb ich …”
Sprach und sandte eine Wortsintflut auf mein Buch hinab, die die Welt untergehen ließ.