… denken wir an die rauschhaften Prophezeiungen Walt Whitmans, an das Erstaunen William Carlos Williams’ angesichts simpler Dinge oder Robert Creeleys der Luft zum Atmen abgelauschte Zeilen – die „geschichtslose„ amerikanische Topographie hat eine eigene Lyrik hervorgebracht, die ohne Blindheit gegenüber den Unwegsamkeiten des Lebens voll Versprechen und unverbrauchter Schönheit steckt.
Das ist die poetische Facette am seit mehr als zweihundert Jahren staatstragenden American Dream, aus dessen Substanz auch der 1969 geborene Kevin Prüfer noch schöpft. Doch sein heutiges Amerika ist mit dem Alltag, den es ihm schenkt, nicht mehr ganz so jung und unverbraucht. Der mit Banalitäten wie Smalltalk, Billboards, Shoppingmalls angereicherte way of life kann leicht zur Ödnis geraten. Nicht einfach, aus diesen die Vorstellung überwuchernden Virtualitäten und Realitäten zweiter und dritter Hand Schönheit und Versprechen herauszufiltern – oder gar Wahrheit über die ins Wohnzimmer strahlenden Kriege, die die Nation in der Ferne ausficht. Prüfer jedoch versucht dies mit ästhetischer Raffinesse und Schlichtheit in einem zu bewerkstelligen: „Der Westen, zufrieden und sonnengegerbt, denn so besagt es die Geschichte,/ gefangen im Strudel/ allen entschwunden, außer dem sanften Traum,/ in dem der Westen westwärts reitet, der Wüstenstadt entgegen,/ zu den Mädchen, die sich um ihn scharen,/ die sein Pferd berühren,/ das schweißfeuchte Fell, die Flanken streicheln, den Sattel / und seine Schenkel -/ Köstlich, köstlich, sagen sie, dann lächeln sie / und ziehen ihn zu sich herab.“ Prufers Ars poetica ist nicht im Avantgarde-Sinn innovativ, dafür zugänglich, erprobt, variantenreich und voll Witz, den wiederum kulturpessimistische Melancholie kontrastiert. / Jan Röhnert, FAZ 21.6.
Kevin Prufer: Wir wollten Amerika finden
Ausgewählte Gedichte. Zweisprachig. Aus dem Amerikanischen von Norbert Lange und Susanna Mewe
Einband: Englisch Broschur
Seitenzahl: 220
Preis: 24,- EUR
ISBN: 978-3-939557-46-3
»Mein Imperium fiel wie ein Blutstropfen ins Gras.« Kevin Prufers Gedichte sind Expeditionsunternehmen in ein zerrissenes, um seine Träume und Selbstbilder gebrachtes Amerika. Sein Thema sind Zusammenbrüche und Unfälle von Autos wie Staaten. Sein Amerika ist eine Landschaft in der Notaufnahme, »Schnee« liegt wie »kleine Beruhigungsmittelchen im Garten verstreut«, seine Mitbürger begegnen ihm als schlaflose Pilger zwischen Einkaufszentren, Zerstreuung und Kriegsberichterstattung. Kevin Prufer hat das politische Gedicht für die Popmoderne reaktiviert und schafft es dennoch in diesem Waste Land des ersten Jahrzehnts des 21. Jahrhunderts die eigentliche Poesie des Menschseins zu feiern. Der Band ist in enger Zusammenarbeit mit Kevin Prufer von Susanna Mewe und Norbert Lange übersetzt worden.