117. Fragil labial

Ähnlich wie das “O” und das “I”, das Runde und das Gestreckte, in den “Honigprotokollen” aufeinandertreffen, die runde Vollständigkeit allein aber der “Hohn” ist, wandert Rinck virtuos durch das “Weltinnenall des Binnenreims”, bis hin zu Rilke. Häufig erinnert die Lautstruktur an gleichsam umarmende Binnenreime, eine in dieser Art innerhalb prosanaher, dezent rhythmisierter Langzeilen überraschend neu wirkende Technik. Besonders gut zu verfolgen ist sie in “Stroh”, das auch eine Art immanenter Poetik enthält, insofern der “Versuch, doch zu begreifen” einem Griff in den Nebel gleicht, bei dem man “auf der anderen Seite” des fragilen, labi(a)len Zwischenraums wieder herauskommt, der die nie gelingende Vereinigung mehr umspielt als repräsentiert: “Nun, du hast keine Worte, aber willst, / wofür du keine Worte hast, besitzen.”

Da die Episoden und Reflexionen aufeinander aufbauen, scheint es geraten, den Band in protokollarischer Ordnung von vorn nach hinten zu lesen – und sich darauf zu freuen, wie Monika Rinck selbst ihn vorträgt: als Dichterin von oraler Poesie im besten Sinn, von scheinbar schlichten Liedtexten ebenso wie von komplexer, sprachreflexiver Poesie. / MARTIN MAURACH, FAZ 19.5. Mehr

Monika Rinck: “Honigprotokolle”. Gedichte.
kookbooks Verlag, Berlin 2012. 80 S., br., 19,90 [Euro].



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