Die Entkleidung des Meeres
Er entkleidete das Meer
streifte seine Gewänder
eins nach dem anderen ab
und ließ sie
in der Bewegung von Wellen davonschweben
Doch als er
es zu umarmen sich anschickte
bemerkte er
daß mit den durchsichtigen Seiden
auch der Körper entflogen war
Die Wüste dehnte sich jetzt
bis dort
wo blaue Messer ihr ins Fleisch schnitten
Er schlüpfte in ein Skelett
und behauptete es gebe kein Meer
alle Fische seien wahnsinnige Vögel
Man solle diese Fata Morgana
mit Namen Meer
bei Strafe des Verdurstens
weder fregatten noch dampfern
Er sprach
bis ihm der steigende Sand
die Kehle brütete
Eine winzige Sirene
regte in dem fleischfarbenen Ei
ihre Federn und lachte
1969
Die Pendeluhren haben Ausgangssperre. Berlin: Edition Galrev 1998, S. 17. (Zuerst 1969) Jetzt in: Das surrealistische Gedicht. 3. erw. Aufl., Zweitausendeins 2000, S. 1408f.
© (Für die Auswahl) Michael Gratz 2001.