112. Ilana Shmueli ist gestorben

Die Literatur der in Israel eingewanderten europäischen Juden handelt immer wieder von der Sehnsucht nach den vier Jahreszeiten, den dunklen Wäldern, von Bären, Wölfen und Füchsen, den großen Flüssen, dem vertrauten Stadtbild, dem „Tollen im Neuschnee“, das Ilana Shmueli in einem ihrer Gedichte beschwört: „blendendes Weiß wie nie wieder.“ Und sie fährt fort: „Flieder von damals / und der Duft verborgener Veilchen // Gras frisch gemäht / glühende Sonne // das Träumen im Nussbaum / kleine grün-braune Finger auf rauher Rinde // das alles lässt sich’s noch nennen?“

Ilana Shmueli war durch ihre Gedichte, ihre Aufzeichnungen und Briefe die wohl letzte Repräsentantin von Czernowitz, das in Israel eine Heimat fand, jener Welt des Klein-Wien, der Musik und der vielen Sprachen, des Rumänischen, Jiddischen, Russischen und Ukrainischen, des Hebräischen und Deutschen. …

Am 11. November ist Ilana Shmueli in Jerusalem gestorben, mit einer letzten Frage, die sie vor Jahren notiert hatte: „In welcher Sprache wird der Tod zu mir kommen?“ / Thomas Sparr, Die Welt



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