100. Lyrik auf der Messe

100. Lyrik auf der Messe

In welch verschiedene Richtungen das geschriebene und gesprochene Wort sich selbst in ein und derselben Textgattung bewegen kann, war in Leipzig am Beispiel der Lyrik zu erleben, die hier auffällig selbstbewusst ihre vielen Stimmen erhob. Selbst Tierstimmen waren darunter. Lokalmatador Clemens Meyer, der zur Leipziger Buchmesse gehört wie die geöffnete Bierflasche zu ihm, war diesmal nicht mit neuen Erzählungen zur Stelle, sondern als Übersetzer jener »Gedichte von Hunden« , die US-amerikanische Autoren ihren Tieren angedichtet haben. Ahne, Urgestein der Berliner Lesebühnenszene, hielt bei seiner alljährlichen Strandung auf der »Leseinsel der jungen Verlage« diesmal »Gedichte, die ich mal aufgeschrieben habe« in den Händen und trug etwa dieses vor: »Endlich wieder weinen können/ wünsch ich./ Tränen, die befrei’n./ Lass die Zwiebel stecken, Mutter!/ Von alleine/ soll es sein.« Auch Dietmar Dath, an dessen statt auf jeder Buchmesse mindestens eine seiner Neuerscheinungen zu entdecken ist – meist ein Roman –, trat diesmal in Gestalt seines Lyrikdebüts »Gott ruft zurück« in Erscheinung, darin er sich formal zum tot geglaubten Endreim bekennt.

Autoren hatte die Lyrik immer auf ihrer Seite. Aber ein Publikum? Aufrichtig verblüfft waren die Veranstalter der Lyriknacht in der Hochschule für Grafik und Buchkunst über den Andrang. Etwa zweihundert Menschen lauschten vier Abendstunden lang konzentriert der auch artikulatorisch höchst professionellen Gedichtlesung von Nadja Küchenmeister, Ulrike Almut Sandig, Daniela Seel und anderen – sensible, assoziative Verse, deren Schönheit und Tiefe sich nicht in der Beschreibung dinglicher Oberflächen erschöpft. Worte eher wie neuste Musik, der zu folgen ein Einlassen auf unbedingte Anstrengung erfordert. / Martin Hatzius, ND 22.3.



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