Eigentlich sollte es in dem Handelsblatt-Artikel “Kinder und Karriere – geht doch!” um das Beispiel von Bosch gehen und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, wie sie auch in einer großen Firma gelebt werden kann. Gerade las ich noch, dass Kanzlerin im vergangenen Jahr den schwäbischen Technikkonzern Bosch zu Deutschlands familienfreundlichstem Unternehmen gekürt hatte, als ein Einschub mitten im Text mich stutzig mache. War der aus Versehen an dieser Stelle in diesem Artikel gelandet? Dort stand nämlich als dicke Überschrift und ohne jede Überleitung: “Zehn Dinge mit denen Frauen ihre Karriere riskieren” und ich erfuhr in zehn kleinen Abschnitten mit lustiger Aufklapp-Funktion, wie kurz ich vor dem Total-Verlust meiner Karriere stehe, nicht nur, aber vor allem weil ich eine Frau und berufstätige Mutter bin.
Dort heißt es im Wortlaut:
- Lieber Spaß als Macht
Fragt man eine Frau: Was ist Ihnen an ihrem Job wichtig? Lautet die Antwort nicht, mein Firmenwagen, das üppige Gehalt oder der leistungsabhängige Bonus. Nein! Frauen wollen hauptsächlich Spaß an der Arbeit. Eine Umfrage des Beratungsunternehmens Universum Communications unter angehenden Wirtschaftswissenschaftlern belegt dies. Während 60 Prozent der Frauen sich ein freundliches Arbeitsumfeld wünschen und über 50 Prozent Wert auf vielfältige Arbeitsaufgaben legen, sind nur 14 Prozent auf Prestige und eine rasche Beförderung aus. - Keine Ellenbogenmentalität
Gerade in größeren Abteilungen müssen sich Mitarbeiter häufig gegen ihre Kollegen durchsetzen, um sich Gehör und Respekt beim Chef zu verschaffen. Doch gerade dieser interne Konkurrenzkampf gefällt vor allem Frauen nicht. Eine Umfrage von TNS Emnid und der Axa-Versicherung zeigt, dass über ein Drittel aller Frauen Angst vor dem Konkurrenzkampf mit Kollegen haben. Nur 15 Prozent ihrer männlichen Mitstreiter sorgen sich darum. - Übersteigerter TeamgeistTeamfähigkeit gilt als einer der wichtigsten Soft-Skills und gerade Frauen bevorzugen diese Form des Arbeitens. Ein Experiment an der Universität Lyon hat gezeigt, dass Männer vor allem dann Teamarbeit nutzen, wenn sie in dem geprüften Bereich nicht so leistungsfähig sind. Frauen arbeiten generell lieber im Team, unabhängig davon wie stark sie selbst auf dem jeweiligen Gebiet sind. Eine durchaus positive Fähigkeit, solange die eigene Leistung nicht vom Können des Teams überschattet wird.
- Falsche StudienwahlDie karriererelevanten Studienfächer sind nach wie vor Wirtschaftswissenschaften, Jura und Ingenieurswissenschaften. Während bei den Wirtschaftswissenschaften im Wintersemester 2010 immerhin 45 Prozent der deutschen Studierenden weiblich waren und bei Jura sogar über die Hälfte, sieht es im Bereich der Ingenieurswissenschaften weiterhin düster aus. Die Maschinenbaustudiengänge verzeichneten gerade einmal einen Frauenanteil von neun Prozent. Bei Elektrotechnik waren es sogar nur sechs Prozent.
- Zu wenig Selbstbewusstsein
Frauen verkaufen sich häufig unter Wert und trauen sich selbst viel zu wenig zu. Eine Studie des Beratungsunternehmens Accenture zeigt, dass Frauen sich selbst beschuldigen, wenn es um die Gründe für ihre schlechten Aufstiegschancen geht. 28 Prozent der befragten Damen sagen, ihnen fehlten die nötigen Fertigkeiten für den nächsten Schritt auf der Karriereleiter.
- Chefinnen unerwünscht
Nicht nur Männer wollen keine Frauen als Chef, sogar die weiblichen Arbeitnehmer sind von Frauen in Führungspositionen wenig überzeugt. Nur drei Prozent wollen eine Chefin. Neunmal so viele finden es besser einen Mann als Chef zu haben. Das ergab eine repräsentative Umfrage der Meinungsforscher von Forsa.
- Rivalität unter Frauen
Damit in Zusammenhang könnte das Phänomen der Stutenbissigkeit stehen. Eine Studie der Universität Amsterdam belegt, dass Frauen zwar gut kooperieren können, aber nur so lange sie mit männlichen Kollegen zu tun haben. Sobald sie mit Frauen zusammenarbeiten sollen, ist es um den Teamgeist schlechter bestellt. Ein internationales Forscher Team setzte kürzlich sogar noch einen obendrauf. Sie fanden heraus, dass die Damen besonders schlecht miteinander können, wenn die jeweils andere bei den männlichen Kollegen gut ankommt.
- Über Geld spricht man nicht
Selbst Frauen in Führungspositionen verdienen immer noch deutlich weniger als ihre männlichen Kollegen. Eine Umfrage der Hans-Böckler-Stiftung unter 12.000 Akademikern zeigt die Unterschiede. Ein männlicher Abteilungsleiter verdient etwa 5000 Euro monatlich, sein weibliches Pendant gerademal 3800 Euro. Das hat unter anderem damit zu tun, dass Frauen bei Gehaltsverhandlungen mit weniger zufrieden sind und andere Faktoren wichtiger finden.
- Familie oder Beruf? Familie!
Zugegeben, es ist nicht einfach Familie und Karriere miteinander in Einklang zu bringen. 72 Prozent der Mütter von minderjährigen Kindern halten dieses Unterfangen für schwierig. Und die Mütter sind es letztendlich auch, die in Sachen Karriere den Kürzeren ziehen. Dafür verantwortlich sind die traditionellen Vorstellungen von Familie, die sowohl Männer als auch Frauen immer noch mit sich herumtragen. Während 2010 nur etwa 5 Prozent der Väter mit minderjährigen Kindern in Teilzeit arbeiteten, waren es über 68 Prozent der Mütter.
- Der fehlende Wille
Jetzt, da ich dir zehn Punkte kannte, ging mir ein Licht auf. Karriere hatte ich ja bisher gänzlich falsch interpretiert! In einer anderen Lesart bedeuten diese Punkte nämlich folgendes: Willst du, liebe Frau und berufstätige Mutter, Karriere machen, dann sei auf folgende Begleiterscheinungen beim Erklimmen der Karriereleiter gefasst:
- Mit einem freundlichen Arbeitsumfeld und vielfältigen Arbeitsaufgaben ist es nun vorbei. Spaß gibt’s hier nicht mehr, aber wenigstens ein bisschen Macht.
- Hör auf, Bauch, Beine und Po zu trainieren. Ab jetzt sind nur noch Ellenbogen gefragt und gegen die vielen blauen Flecken gibt es ja langärmelige Business-Blusen.
- Raus aus dem Schatten der Teamkollegen, ab jetzt verbrennst du dich bitte allein in der Sonne. Soft-Skills werden ohnehin überbewertet.
- Nicht für das Leben hast du gelernt (und studiert), sondern für die Katz, denn Karriere macht man auf keinen Fall, wenn man nicht Wirtschaftswissenschaften, Jura oder wenigstens Ingenieurwissenschaften studiert hat.
- Gib dein Letztes, verkauf dich selbst, aber bloß nicht unter Wert. Und nicht vergessen: Schuld sind ab jetzt immer andere.
- Sei tapfer, aber leiden kann dich als Chefin jetzt niemand mehr, nicht einmal die Frauen.
- Sind die Beißerchen in Ordnung? Jetzt sind Zähne zeigen und Beißen angesagt. Und ein herzhaftes Wiehern steht dir als bissige Karrierestute wahrscheinlich auch nicht schlecht.
- Es gibt ab jetzt nur noch den G-Faktor: Geld. Alles andere ist doch auch wirklich nebensächlich!
- Der Beruf ist Berufung und Familie ist…, ja, was eigentlich? Die lässt sich sowieso nicht mit der Karriere in Einklang bringen, also verzichte besser ganz darauf.
- Zufriedenheit wird aus dem Wortschatz gestrichen, denn ab jetzt zählt nur noch der Wille. Und zwar wenn möglich, der eiserne.
Wenn das Karriere ist, dann bin ich durchaus risikobereiter, als ich bisher von mir angenommen hatte, denn das Risiko, auf diese Art von Karriere verzichten zu müssen, gehe ich nur allzu gern ein. Und wer sagt eigentlich, dass Karrieren immer nach oben gehen müssen? Das Wort Karriere bedeutet dem Wortsinn nach schlicht Fahrstraße (lateinisch carrus “Wagen”), erklärt Wikipedia.
Und unter uns: Wenn alle die Fahrstraße namens “Karriere” nach oben hasten, dann bekommen die kleinen Seitenstraßen doch ihren ganz eigenen Reiz, oder? Ich bin auch das eine oder andere Mal abgebogen und habe bis heute zumindest noch nicht den Eindruck gewonnen, dass ich mich total verfahren hätte.
Wie ist das bei euch?