Zypern – Als Schutzgöttin dem Meer entgegen

Zypern November Aphroditestrand

Auf den Schock genehmige ich mir am Strand von Polis ein Schokoriegel-Engergy-Drink-Menü. Wer mich kennt, weiß das sind meine Laster und Belohnungsmechanismen. In dieser Situation macht Letzterer meine Knie jedoch nur noch wackliger. Ich bräuchte vermutlich Hochprozentiges. Unter diesen Umständen tun es aber auch die entspannten Reggae Rhythmen, die aus der Beach Bar zu mir herüberwehen. Eine Schutzgöttin zu sein ist wahrlich kein Kinderspiel. Augen auf bei der Berufswahl! Mein unfreiwilliges Schnupperpraktikum von heute Morgen wühlt mich noch lange auf und ich frage mich, was aus meiner Schutzbefohlenen, meinem ersten Mandat, wohl geworden ist.

Wir schreiben Tag drei im zypriotischen Linksverkehr. Alle anfänglichen Bedenken waren im Nu aus dem Weg geräumt. Ich fahre göttlich beschwingt, als hätte ich niemals ein Auto rechts gelenkt, einen kleinen Bergpass gen Westen.

Links ist, wo Du Deine Uhr trägst

Urplötzlich ein Auto vor mir inmitten der Fahrbahn. Die eindringlichen Worte meiner Sitznachbarin in Flugzeug klingen mir noch im Ohr: „Vergiss nicht, links, wo Du Deine Uhr trägst, ist der Straßenrand“. Ich trage keine Uhr, aber immerhin meinen Ehering links. Der Schnellcheck bestätigt, ich bin auf der richtigen Straßenseite. Das Fahrzeug vor mir bewegt sich nicht. Führerlos abgestellt. Ich bin mutterseelenallein unterwegs. Weit und breit kein anderes Gefährt in Sicht. Ein Trick? Ich hupe. Nichts passiert, aber im Auto ist bei genauem Hinsehen ein Kopf zu erkennen. Regungslos. Irgendwann steige ich doch aus. Eine Frau sitzt ohnmächtig in ihrem Wagen und reagiert nicht auf Ansprache. Sie erwacht, als ich sie sachte an der Schulter berühre, weint und schreit schmerzlich, driftet aber immer wieder in die Bewusstlosigkeit. Ich nehme ihre Hand, reiche Wasser und versuche sie bei Bewusstsein zu halten. Die Zeit scheint still zu stehen, während ich um klare Gedanken ringe.

Zum Glück stoppen allmählich andere Helfer. In der allgemeinen Aufregung übersetzt man mir nur, dass die Dame eine Nierentransplantation hatte und augenscheinlich mit schweren Komplikationen kämpft. Wir wagen es nicht sie zu bewegen, rufen Notarzt und Polizei und regeln den Verkehr in der unübersichtlichen Kurve. Mein Vorschlag, das Auto auf den Seitenstreifen zu schieben, findet kein Gehör mehr. Jetzt muss andere weltliche Hilfe greifen. Ich kann nichts mehr tun, bin nun überflüssig, doch lange danach noch tief bewegt.

Dabei wollte ich doch nur das Meer sehen – ein letztes Mal dieses Jahr, bevor der Winter mich in den Klauen hat- und nicht Schutzgöttin spielen.

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Im Mietwagen immer dem Duft des Meeres nach

In Larnaka betrat ich zypriotischen Boden. Marios erwartete mich bereits grinsend mit einem Autoschlüssel, einem blitzend weißen Toyota Yaris mit einem stigmatisierenden roten Nummernschild – Achtung, hier sind richtungsverwirrte Touristen unterwegs – und vor allem viel Papierkram. Hier ein Kreuzchen, dort eine Unterschrift, viele Hinweise und ein Portfolio an Anweisungen, was ich mir keinesfalls in Zypern entgehen lassen darf. Nur den Norden möchte ich doch bitte mit dem Mietwagen meiden. Dort gilt kein KFZ-Versicherungsschutz.

Egal, mich zog es vorerst in den Westen, ans Meer, der tief stehenden Novembersonne entgegen.

Immer wieder ist es der weite Ozean, der mich anzieht. Dieses monotone beruhigende Rauschen, dieses helle Leuchten am Morgen, wenn die Sonne am Horizont erscheint. Das tiefschwarze Meer bei Nacht, das man nur hört und riecht. Das Glitzern im Mondschein. Dieses Gefühl im Salzwasser, wenn der Körper federleicht wird, die verklebten Haare, den Geruch des Salzes, das auf der Haut trocknet. Dieses überbrodelnde Glück, in die Wellen zu rennen und einfach ins Wasser zu kippen. Alles keine Sache hier in Zypern. Das Meer ist omnipräsent. Schon nach Verlassen des Flughafens blitzt es von Zeit zu Zeit verführerisch azurblau durch die karge Landschaft.

Aphrodite und das Meer

Ich fahre beflügelt und entschleunigtes Inselfeeling stellt sich ein. Meine Winterjacke ist längst auf dem Rücksitz geflogen, der Pulli hinterher. Die Fenster kurble ich auf Durchzug und lasse mir die warme, salzige Luft um die Nase wehen. In München ist der erste Schnee gefallen, hier bin ich nach drei Stunden Flugzeit mitten im Sommer gelandet. Nur durch die früh einsetzenden Dunkelheit lasse ich mich nicht täuschen.

Petra tou Romiou, natürlich am Meer gelegen, wird mein erstes Etappenziel. Zyperns Bürgersteige sind Ende November schon gefährlich hochgeklappt und doch treffe ich etwa auf halber Strecke auf vereinzelte Touristen. Sie haben es eilig. Nur noch eine Stunde zum Sonnenuntergang. „Wenn Du Deine Facebook Freunde mit Bildern beeindrucken willst, sei dort, wenn die Sonne untergeht“, hallt mir der Hinweis meiner Sitznachbarin noch im Ohr. Check.

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Dort in der Tiefe der felsigen Küste wachsen gigantische Kalksteinbrocken aus dem Meer und setzen die Koordinaten für einen der schönsten Strände Zyperns, Haupt-Natursehenswürdigkeit und Geburtsstätte der Aphrodite. Erzählungen nach, soll die Göttin der Schönheit und der Liebe an dieser Stelle dem Meeresschaum entstiegen sein. In der Tat, Aphrodite hätte keinen besseren Ort wählen können. Am „Stein des Griechen“ verschmelzen die Elemente im Abendlicht zur vollendeten Bilderbuchromanze. Hügeliges Land fließt tobendem Wasser entgegen, das in zig Farbnuancen der untergehenden Sonne schillert. Weiße Wellenkämme galoppieren Richtung Ufer, brechen sich an den Felsriesen und berühren schließlich sachte die hellen Kiesel der Bucht.

Touristen posieren, ich beobachte, genieße. Ich bin wieder am Meer.

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So soll es die kommenden Tage weitergehen. Salzwasser liegt in der Luft und das immerwährende schrille Gackern der Möwen bestätigt auch ohne den Blick aufs Meer die vertraute Gewissheit: Hier ist der Ozean immer in Reichweite.

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Zypern – Hochkultur am Meer

Dennoch, in Zypern auf Kulturprogramm zu verzichten wäre sträflich. Zypern ist eine Insel, zugleich aber auch ein souveräner Staat und auf seinem kleinen Raum prallvoll mit Geschichte und reichem Kulturerbe. Was die geteilte Insel zweifellos ihrer geografischen Lage verdankt. Es ist ein strategisch bedeutsamer Fleck im östlichen Mittelmeer, ein Objekt der Begierde, das im Laufe der Jahrtausende zahlreiche Völker kommen und gehen sah.

Jahrhunderte lang gehörte Zypern zu Byzanz, bevor sich Franken, Venezianer und Türken, nacheinander zu neuen Herren ernannten und die Briten Aphrodites Insel letztendlich 1960 in die Unabhängigkeit entließen. Und doch ist bis heute die „Zypernfrage“, der Konflikt zwischen dem griechisch-zyprischen Süden und dem türkisch-zyprischen Norden, nicht gelöst. Auch Großbritannien hält noch immer zwei Enklaven auf der Insel.

Ein Schmelztiegel der Kulturen und alle Besetzer haben Spuren einer bewegten Vergangenheit und Zeitzeugen unglaublicher Architekturleistung hinterlassen. Kourion zum Beispiel, Zyperns spektakulärste archäologische Stätte im Süden thront majestätisch auf einem Hügel über dem Meer und umfasst gut erhaltene Mosaike, eine frühchristliche Basilika sowie ein erstaunliches Amphitheater. Oder Paphos, mit seinem archäologischen Park und den Königsgräbern ist geballte Antike. Das beliebte Urlaubsparadies im Südwesten der Insel war der UNESCO daher nicht ohne Grund eine Eintragung in die Weltkulturerbe-Liste wert.

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Aphrodites Badewanne und Liebesnest

Und immer wieder sind es die Götter, die in Zypern ihren Starauftritt bekommen. Allen voran Aphrodite. Heute nach meinem einschneidenden Erlebnis als Schutzgöttin begegne ich ihr, ein ganzes Stück nördlich von Paphos, in der wildromantischen Natur der Halbinsel Akamas wieder. An deren Ostküste liegt das „Bad der Aphrodite“ – eine zugegebenermaßen äußerst unscheinbare Felsgrotte, beschattet vom Blätterdach eines Feigenbaumes. Quellwasser rieselt wie ein Regenguss den Fels herab und sammelt sich glasklar in einem Teich. Hier badete die Göttin der Liebe. So will es die Legende. Und hier erblickte sie der hübsche Adonis und verliebte sich.

Ich hingegen laufe, dem Anschein nach allzu beflügelt, am Eingang vorbei und wandere irrtümlich einen langen Trail auf Adonis und Aphrodites Versen. Ein nicht ganz unbeschwerlicher Wanderweg, der durch die Landschaft der unberührten Halbinsel führt, aber dafür grandiose Blicke auf das Meer verschenkt. Ein Ehepaar klärt mich auf, dass die Quelle ganz leicht vom Parkplatz zu erreichen gewesen wäre. Nun ja, wenn mir auch kein Adonis begegnet ist, der unfreiwillige Exkurs mit azurblauem Meerblick war jeden Extraschritt wert!

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Abschied an Zyperns Puderzuckerstränden

Wo die göttliche Reise begann, endet sie auch. Doch Larnaca lediglich als An- und Abflughafen für eine Zypern-Rundreise zu reduzieren, würde der Stadt Unrecht tun. Es ist kein Tropenparadies, aber für sich genommen hat der Küstenort als Urlaubsziel einiges zu bieten. Die lebendige, von Dattelpalmen gesäumte, Uferpromenade Foinikoudes beispielsweise, zudem einen feinen Sandstrand und für Taucher ein besonderes Schmankerl: Vor dem Hafen liegt das Schiffswrack der Zenobia, die 1980 auf ihrer Jungfernfahrt sank. Augen auf beim Anflug auf den Flughafen! Angeblich ist von Zeit zu Zeit der Schatten des Schiffswracks aus der Luft sichtbar.

Die wohltuende Novembersonne lockt mich an den Strand. Zielstrebig steuere ich den Makenzy Strand südlich der Stadt an, dort wo die Flugzeuge steil zur Landung ansetzen. Einige Beachclubs haben noch geöffnet. Im blendenweißen Ammos fläze ich mich auf ein riesiges Sonnenbett. Ich habe freie Auswahl, den Luxus der Nebensaison.

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Schöner werden die Strände im Osten. Eine gute Anbindung, feiner Sandstrand, phänomenales Wetter und schon ist die Basis gegeben, um aus einem unauffälligen Fischerdorf ein Partyepizentrum reifen zu lassen. Agia Napa im Osten Larnacas ist die Anlaufstelle für blutjunge feierfreudige Strandenthusiasten. Mitte November ist das Jungvolk Rentnern gewichen und die Clubs verriegelt. Doch mich interessieren die schneeweißen Puderzuckerstrände. Ich nutze meinen kleinen Toyota und vor allem meine Beine, um die schöne Küste, die ursprüngliche Attraktion rund um Agia Napa, auszukundschaften.

Vom Nissi Beach wandere ich stramm bis zum blendend weißen, bei Einheimischen beliebten, Makronissos Strand und immer weiter bis zum Ayia Thekla Strand mit seiner markanten Kapelle als Landmarke. Es begleitet mich nur der Wind und die Wellen schwatzen mit mir. Die Sonne schafft es auch im novemberlichen Sparmodus meine Akkus aufzuladen. Goodbye Meer, goodbye Insel der Aphrodite. Winter, ich bin bereit Dir nun entgegenzutreten. Mein überirdiscshes Schutzschild ist aktiviert.

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Zypern zum Nachmachen:

  • Aufregung geht durch den Magen. Eine kulinarische Empfehlung ist die 7 St Georges Tavern in Paphos und dessen ausgezeichnete Küche.
  • Das Schöne ist oft schwer zu haben. So der wildromantische Lara Strand auf der Akamas Halbinsel. Am besten mit einem Allradwagen anfahren.
  • Unten Bar, oben Restaurant und Sammelsurium. Im atmosphärischen Art Café der kosmopolitischen Maria und ihrem Mann Marios in Larnaca gibt es Hausmannskost, Vegetarisches und eine Barauswahl, die keine Wünsche offen lässt.
  • Im schneeweißen Beachclub Ammos Larnaca am Makenzy Strand speist und relaxt es sich mit den nackten Füßen im Sand oder unter einem luftigen Baldachin.
  • Eine Taverne wie aus dem Bilderbuch. Stou Rousha in Larnaca liegt versteckt in einer kleinen Gasse hinter der Promenade. Ein kleines familienbetriebene Restaurants, unverschämt lecker.
  • Die Strände an Zyperns Westküste sind generell etwas rauer und nicht blendend weiß. Schöner, feiner, weißer aber auch voller und verbauter werden die Strände weiter östlich von Larnaca in Agia Napa und am Kap Greco. Meine Favoriten: Makronissos und Konnos. Im Sommer wird es wohl brechendvoll. Im November war es nahezu einsam.
  • Die Autovermietung Manos Cars ( [email protected]) kann ich uneingeschränkt empfehlen. Ich habe noch nie so einen freundlichen persönlichen Service bekommen.

 


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