Zwölf alkoholische Anekdoten

Von Lukas Röthlisberger @Adekagabwa

In bunter Mischung einige erlebte oder entdeckte Tatsachen über den Alkohol:

  1. Wenn ich in Bolivien im Herbst in ein Indianerdorf kam, dann liefen da schon Vorbereitungen für das nächste Fest. Sie ließen Maiskörner aufkeimen und die Frauen kauten dann diese Keimlinge gut durch und spuckten die Masse in eine Schale. Der Speichel beschleunigt die Fermentation und so entstand rasch ein trübes alkoholisches Getränk. Es wurde Chicha genannt, ihr Maisbier.
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  2. Für ein richtiges Fest genügte aber den Aymara Indianern das Maisbier nicht, und sie kauften auf dem Markt hochkonzentrierten Zuckerrohrschnaps in quadratischen, zugeschweissten Dosen, mit 20 Litern Inhalt. Diesen schleppten sie dann auf dem Rücken ins Dorf und mischten ihn mit ihrem Chicha. Von solchen Festen hielt ich mich fern. Die Indianer vertrugen nicht viel Alkohol und waren nach kürzester Zeit sternhagelbetrunken. So friedfertig sie auch normalerweise waren – bei Fester kam es immer wieder zu Gewalt aller Art.
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  3. Jesus wurde “Schlemmer und Trinker, Fresser und Säufer” genannt, weil er gerne an den Fester der einfachen Leute teilnahm. Das Wort aus Mt 11,19 wird von den Einen als schändliche Verleumdung des Asketen interpretiert, von den Andern als Hinweis auf die Lebensfreude Jesu. Fehlte Wein, so machte er kurzerhand besten Jahrgang aus purem Wasser (Hochzeit zu Kana, Joh 2,2-12).
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  4. Als Junger Mann habe ich mich in der Po-Ebene (Italien) eine Zeit lang Tagelöhnern angeschlossen, die von Hof zu Hof gingen, um bei der manuellen Maisernte zu helfen. Wir durften in der Scheune schlafen, bekamen Verpflegung und ein klitzekleinen Lohn. Nach einigen Stunden Arbeit am frühen Morgen kam der Padre Padrone und brachte um halb neun das Frühstück. Grosse Körbe mit Brot sowie mit Wasser verdünntem Wein. Das hat mich sehr verwundert.
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  5. Der Alkohol war in fast allen Religionen ein Bindeglied zur Transzendenz. Das berauschende Getränk hat die Kontaktnahme zum Jenseits erleichtert und der blutrote Saft des Weins galt daher als Göttlich. Auch im Christentum haben sich solche Gedanken bis heute erhalten: im Abendmahl wird der Wein als Blut Gottes betrachtet. Ebenso finden wir im Wort „Weingeist“ den Hinweis auf das Unfassbare in dieser Flüssigkeit.
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  6. Bei den griechischen Göttern war auf Schritt und Tritt Alkohol mit im Spiel. Sie hatten auch den dazugehörigen Gott: Dionysos. Bei den Römern war es nicht anders, ihr Gott des Weins hiess dann Bacchus.
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  7. Ich habe einmal ein Jahr lang auf einem Obstbaubetrieb im Schweizer Jura gearbeitet. Im Herbst haben wir dann die nicht verkauften Kirschen in grossen, blauen Fässern vergärt und dann in der Scheune daraus Schnaps gebrannt. Gemäss einem alten Gesetz durften die Bauern pro Kuh einen Liter Kirsch steuerfrei erzeugen. Da hat sich der Viehbestand in manchem Bauernhaus kurzfristig vervielfacht.
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  8. In der Bibel wird berichtet, dass die Sintflut einst alle Gottlosen dahingerafft hat und Noah mit seiner Familie als einziger frommer Mensch gerettet wurde. Nachdem Noah auf dem Berg Ararat gestrandet ist, stieg er mit seinen Tieren aus, und baute Reben an. Er macht Wein und betrinkt sich, hängt nackt herum und verflucht seinen Sohn, der ihn so gesehen hatte. (Genesis 9, 20-23)
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  9. Viele Schriftsteller waren dem Alkohol verfallen. Zwei berühmte Beispiele sind Edgar Alan Poe, der viele seiner Horrorerzählungen im Delirium verfasst haben soll oder der Nobelpreisträger Ernst Hemingway, der sich schlussendlich in einem dunklen Moment erschoss.
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  10. Wenn wir in Nepal zu den Außenposten wanderten, dann hatte es oft an den Flüssen Lager von Niedrigkastigen, die allerlei verbotene Freuden anboten. Sie ließen Reis oder Hirse vergären und brauten sich dann den „Raksi“ – ein starker Schnaps. Erstaunlich, wie sie diesen „Hochprozentigen“ mit Hilfe von zwei irdenen Töpfen und einem angefügten Rohr auf dem offenen Feuer brannten. Ansonsten war in Nepal und Indien der Alkoholkonsum verpönt und für die höheren Kasten ganz verboten.
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  11. Der gottesfürchtige Lot wurde vor dem Strafgericht Gottes („Sodom und Gomorrha“) gerettet, allerdings wurde seine Frau zur Salzsäule, weil sie kurz gucken wollte. Am neuen Ort hat Lot keine Frau mehr und seine Töchter nach dem Feuersturm keine Männer. So wurde Wein angebaut, und in der Trunkenheit zeugte der fromme Mann mit seinen Töchtern Nachkommen. (Genesis 19,30-38)
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  12. Es gibt einige Historiker, die überzeugt sind, dass im Zweistromland und Ägypten der Getreideanbau nicht etwa wegen dem Fladenbrot in Mode kam. Sondern weil sie aus den Körner Bier brauen konnten. Die ganze Backkultur soll sich erst später entwickelt haben. (Patrick E. McGovern erzählt davon in seinem Buch  „Uncorking the Past“.)
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Wassertanz / 40cm x 30cm / Acryl auf Baumwolle auf MDF / 2010, Nr.10-107