Im regelmäßigen Intervall einen neuen Sachbearbeiter oder Fallmanager vor die Nase gesetzt zu bekommen, ist für Hartz IV-Berechtigte nicht selten. Mit Neustrukturierung der Verwaltung hat dieses Vorgehen allerdings wenig zu tun. Es geht nur darum, potenzielle Bezugspersonen zu vermeiden.
Gewundert hatte ich mich schon, dass man mir ständig einen neuen Sachbearbeiter vor die Nase setzte. Das Jobcenter erklärte das mit Neustrukturierung innerhalb des Verwaltungsapparates. Erst im Laufe der Zeit habe ich entdeckt, dass dies das Los aller Langzeitarbeitslosen ist. Mit welchem Leidensgenossen ich auch (jobcenterübergreifend) ins Gespräch kam: Die meisten wussten von immer neuen Köpfen zu berichten, die man ihnen vorsetzte. Wenn es wieder hieß, man sollte vorbeischauen, um über die "persönliche Bewerbersituation" zu sprechen, dann konnte man damit rechnen, gleich noch einen neuen Ansprechpartner kennenzulernen.
Strukturieren die Jobcenter in diesem Lande nur? Oder hat das nicht etwa System?
Die Idee des Fallmanagements beabsichtigte - jedenfalls in der Theorie -, dass sich der Arbeitsvermittler in die Situation des Erwerbslosen hineintasten sollte. Er sollte Umfeld und persönliche Geschichte aufgreifen und das mit seiner Vermittlungsarbeit verknüpfen. Problem ist hierbei nur, dass halbwegs emotional intelligente Arbeitsvermittler einen menschlichen Bezug zu ihrer "Kundschaft" entwickeln können. Und plötzlich ist nicht mehr gewährleistet, dass der eisige Hauch des Sozialgesetzbuches mit der notwendigen Professionalität ins Gesicht der Langzeitarbeitslosen geblasen wird.
Der rege Wechsel der Bezugsperson am Amt soll wahrscheinlich den Hannemann-Faktor minimieren. Mitarbeiter des Jobcenter mit Verständnis oder gar Mitleid verunmöglichen dieses aus Gängelei und Unterstellung bestehende Tagesgeschäft nachhaltig. Der Büttel hat Büttel zu bleiben und soll nicht dieser fixen Idee von Zwischenmenschlichkeit erliegen, nach der er sich einbildet, plötzlich als Bürger vor dem Bürger sitzt zu müssen.
Die Umsetzung des Fallmanagements wird insofern eigentlich unterbunden. Sobald ein Fallmanager ein komplexes Bild von dem Erwerbslosen hat, der da vor ihm sitzt, wird es für ihn schwieriger, Druck anzuwenden. Beim eher abstrakten Arbeitslosen, den die Jobcenter ihrem Personal theoretisch lehren, gibt es weniger Hemmungen. Wenn man sich aber annähert, sich vielleicht sogar sympathisch wird, dann wird das ganze Menschenbild, das im SGB II vermittelt wird, ad absurdum geführt. In dem ist der Mensch zwischen den Zeilen als stimulierbarer organischer Apparat, der auf Anreize wie Drohung mit materieller Armut gefügig gemacht werden kann, beschrieben. Wenn man sich aber kennt, versteht und als Mensch mit Sorgen und Nöten betrachtet, dann geht dieser ganze feine Plan nicht auf.
Der Wechsel der Zwischenmenschlichkeit hat natürlich einen schönen Nebeneffekt für die Behörde. Der Langzeitarbeitslose zermürbt sich, erklärt dem neuen Ansprechpartner abermals seine Situation, wie schon den vier Arbeitsvermittlern vor ihm. Reibt sich auf im Repetitio seiner wechselhaften Bezugspunkte, läuft gegen einen für ihn immer kafkaesker werdenden Apparat an.
Mit jedem neuen Gesicht wuchs in mir die Angst: Was ist das für ein Mensch? War es doch mühevoll genug, den Vorgänger zu "domestizieren". Nach einer Weile konnte ich mir meinen jeweiligen Sachbearbeiter ganz gut ausrechnen. Ich schuf ja immer ganz offensiv menschliche Berührungspunkte, lotste das Gespräch auf private Gefilde - Smalltalk zwischen Sanktionsandrohung und Beweislastumkehr. Das war manchem ganz offensichtlich zuwider. Wahrscheinlich ahnte er, dass ich an meiner Vermenschlichung in seinen Augen arbeitete.
Ich stelle mir vor, wie die Dienststellenleiter diverser Jobcenter einen auf Colonel Kurtz machen. Sie raunen nicht wie der "Das Grauen! Das Grauen!", sondern "Das Menscheln! Das Menscheln!" - was letztlich für sie auf dasselbe hinausläuft.
Gewundert hatte ich mich schon, dass man mir ständig einen neuen Sachbearbeiter vor die Nase setzte. Das Jobcenter erklärte das mit Neustrukturierung innerhalb des Verwaltungsapparates. Erst im Laufe der Zeit habe ich entdeckt, dass dies das Los aller Langzeitarbeitslosen ist. Mit welchem Leidensgenossen ich auch (jobcenterübergreifend) ins Gespräch kam: Die meisten wussten von immer neuen Köpfen zu berichten, die man ihnen vorsetzte. Wenn es wieder hieß, man sollte vorbeischauen, um über die "persönliche Bewerbersituation" zu sprechen, dann konnte man damit rechnen, gleich noch einen neuen Ansprechpartner kennenzulernen.
Strukturieren die Jobcenter in diesem Lande nur? Oder hat das nicht etwa System?
Die Idee des Fallmanagements beabsichtigte - jedenfalls in der Theorie -, dass sich der Arbeitsvermittler in die Situation des Erwerbslosen hineintasten sollte. Er sollte Umfeld und persönliche Geschichte aufgreifen und das mit seiner Vermittlungsarbeit verknüpfen. Problem ist hierbei nur, dass halbwegs emotional intelligente Arbeitsvermittler einen menschlichen Bezug zu ihrer "Kundschaft" entwickeln können. Und plötzlich ist nicht mehr gewährleistet, dass der eisige Hauch des Sozialgesetzbuches mit der notwendigen Professionalität ins Gesicht der Langzeitarbeitslosen geblasen wird.
Der rege Wechsel der Bezugsperson am Amt soll wahrscheinlich den Hannemann-Faktor minimieren. Mitarbeiter des Jobcenter mit Verständnis oder gar Mitleid verunmöglichen dieses aus Gängelei und Unterstellung bestehende Tagesgeschäft nachhaltig. Der Büttel hat Büttel zu bleiben und soll nicht dieser fixen Idee von Zwischenmenschlichkeit erliegen, nach der er sich einbildet, plötzlich als Bürger vor dem Bürger sitzt zu müssen.
Die Umsetzung des Fallmanagements wird insofern eigentlich unterbunden. Sobald ein Fallmanager ein komplexes Bild von dem Erwerbslosen hat, der da vor ihm sitzt, wird es für ihn schwieriger, Druck anzuwenden. Beim eher abstrakten Arbeitslosen, den die Jobcenter ihrem Personal theoretisch lehren, gibt es weniger Hemmungen. Wenn man sich aber annähert, sich vielleicht sogar sympathisch wird, dann wird das ganze Menschenbild, das im SGB II vermittelt wird, ad absurdum geführt. In dem ist der Mensch zwischen den Zeilen als stimulierbarer organischer Apparat, der auf Anreize wie Drohung mit materieller Armut gefügig gemacht werden kann, beschrieben. Wenn man sich aber kennt, versteht und als Mensch mit Sorgen und Nöten betrachtet, dann geht dieser ganze feine Plan nicht auf.
Der Wechsel der Zwischenmenschlichkeit hat natürlich einen schönen Nebeneffekt für die Behörde. Der Langzeitarbeitslose zermürbt sich, erklärt dem neuen Ansprechpartner abermals seine Situation, wie schon den vier Arbeitsvermittlern vor ihm. Reibt sich auf im Repetitio seiner wechselhaften Bezugspunkte, läuft gegen einen für ihn immer kafkaesker werdenden Apparat an.
Mit jedem neuen Gesicht wuchs in mir die Angst: Was ist das für ein Mensch? War es doch mühevoll genug, den Vorgänger zu "domestizieren". Nach einer Weile konnte ich mir meinen jeweiligen Sachbearbeiter ganz gut ausrechnen. Ich schuf ja immer ganz offensiv menschliche Berührungspunkte, lotste das Gespräch auf private Gefilde - Smalltalk zwischen Sanktionsandrohung und Beweislastumkehr. Das war manchem ganz offensichtlich zuwider. Wahrscheinlich ahnte er, dass ich an meiner Vermenschlichung in seinen Augen arbeitete.
Ich stelle mir vor, wie die Dienststellenleiter diverser Jobcenter einen auf Colonel Kurtz machen. Sie raunen nicht wie der "Das Grauen! Das Grauen!", sondern "Das Menscheln! Das Menscheln!" - was letztlich für sie auf dasselbe hinausläuft.